Der Freundeskreis Flüchtlinge und die Mitarbeiter von Stadt und AWO diskutieren mit Anwohnern und Helfern. Anwohner fühlen sich schlecht informiert und sehen dem Projekt skeptisch entgegen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Rohr - Sie kommen aus Nigeria, Gambia, Indien und Nordkorea. Noch sind sie nicht einmal in ihrem neuen Zuhause, dem Haus Hohenfried auf der Rohrer Höhe, angekommen. Doch schon bevor ein einziger Anwohner die 23 Flüchtlinge, welche ab nächster Woche einziehen sollen, zu Gesicht bekommen hat, befürchten einige der Nachbarn Ärger, Lärm und Dreck. Sogar einen Wertverlust der eigenen Immobilie fürchten einige, wenn die Asylbewerber in dem ehemaligen Schwesternwohnheim, das im Besitz der evangelischen Diakonissenanstalt ist, eingezogen sind.

 

Anwohner fühlen sich schlecht informiert

Ende Juli hat die Stadt Stuttgart mit der evangelischen Diakonie den Pachtvertrag für das Gebäude an der Arthurstraße 13 unterschrieben. Platz hat es dort laut Stefan Spatz, stellvertretender Leiter des Stuttgarter Sozialamtes, für rund 150 bis 200 Bewohner. Nächste Woche sollen dort die ersten 23 Flüchtlinge einziehen. Der Freundeskreis Flüchtlinge hat deshalb die Anwohner, aber auch Bürger, die sich engagieren möchten, am Mittwochabend zu einem Vor-Ort-Termin ins Haus Hohenfried eingeladen. „Wir wollen Ihnen auch Ängste nehmen, die Sie vermutlich haben“, sagte Stefan Spatz zu Beginn der Veranstaltung. Spatz stand gemeinsam mit Mitarbeitern der Arbeiterwohlfahrt Stuttgart (Awo) für Fragen zur Verfügung. Aus seiner Sicht gibt es aber bisher keine Probleme. „Zumindest keine, die wir nicht lösen könnten“, ergänzte der stellvertretende Sozialamtsleiter.

Rund 40 Leute waren zu dem Treffen gekommen. Viele der Anwesenden waren mit Spatz’ Ansichten nicht einverstanden. Sie fühlten sich schlecht informiert. „Wir haben aus der Zeitung erfahren, was vor unserem Haus geplant ist“, sagte Amelie Peters, eine Anwohnerin. Die Stadt erhoffe sich eine gute Nachbarschaft, aber informiere die direkt Betroffenen nicht selbst, kritisierte sie. Zudem wollte sie von Stefan Spatz gerne wissen, was geschehe, wenn der Pachtvertrag in zweieinhalb Jahren auslaufe. Wie dies tatsächlich danach aussieht, konnte Spatz noch nicht konkret sagen. Die Diakonie möchte das Gelände nach dieser Zeit verkaufen.

Anwohner bestehen auf direkten Ansprechpartner im Haus

Und es sei nicht nur die schlechte Informationspolitik der Stadt, die viele verärgere, sagte ein anderer Nachbar. Zwar haben die Nachbarn Mitleid mit den „Asylanten“, wie einige die Flüchtlinge bezeichneten, doch direkt vor ihrer Haustür haben wollen die meisten sie nicht. Vor allem die vielen verschiedenen Nationen machen den Anwohnern Sorgen. „Wenn da 200 Leute sind, geht es hier zu wie im Bürgerkrieg“, befürchtete ein 89-Jähriger Rohrer. Zudem schlug er vor, dass die Stadt Stuttgart das Anwesen umzäunt, um „die Anwohner zu schützen“.

Wichtig war den Nachbarn auch, dass sie jeweils einen direkten Ansprechpartner bei der Stadt haben, wenn es Probleme gibt. „Wir haben drei Mitarbeiter hier im Haus, die für konkrete Anliegen zuständig sind“, sagte Georg Ceschan, Referatsleiter für Migrationsdienste und Jugendhilfe bei der Arbeiterwohlfahrt. Doch die Awo sei nicht der Betreiber der Einrichtung, sondern die Landeshauptstadt. Stefan Spatz kündigte deshalb an, einen Steckbrief mit den wichtigsten Informationen und Ansprechpartnern in dem Haus auszuhängen. „Das kriegen wir geregelt“, sagte er zuversichtlich.

Rund 25 mögliche Helfer haben sich in die Liste eingetragen

Aber nicht alle Teilnehmer waren gekommen, um ihren Unmut über die Situation zu äußern. Viele folgten dem Aufruf des Freundeskreises Flüchtlinge. Sie wollen die neuen Mitbewohner auf der Rohrer Höhe in Zukunft unterstützen und ihnen beim Einleben helfen. So schlug Hannah Tast vor, den Neuankömmlingen freundlich zu begegnen: „Oft ist es ja eine Wechselwirkung. Die Leute, die auch nicht hier sein wollen, fühlen sich ungerecht behandelt und man stachelt sich gegenseitig auf“, sagte Tast. Und betonte: „Ich finde es besser, wenn man die Menschen freundlich empfängt.“ Rund 25 Leute hatten sich am Ende in die Liste des Freundeskreises eingetragen, um sich möglicherweise in Zukunft als Helfer zu engagieren.