Damit ein Haus an der Katharinenstraße in Stuttgart-Mitte zum Heim wird, fehlt Entscheidendes: die Baugenehmigung.

S-Mitte - Er weiß nicht mehr genau, wie viele Einzugstermine ihm schon angekündigt worden sind, sagt Stefan Spatz. Rund ein halbes Dutzend müssten es inzwischen sein. Spatz leitet das Sozialamt und wartet dringend auf den endgültigen Termin, zu dem Flüchtlinge in einem Hinterhaus an der Katharinenstraße einquartiert werden können. Angesichts des zunehmenden Stroms Bedrängter aus fremden Ländern sucht die Stadt ähnlich verzweifelt nach Unterkünften wie Griechenland nach Geldquellen. Die vorerst letzte Ankündigung verheißt einen Einzug im Februar 2016. Bleibt dieser Termin bestehen, würden die Verzögerungen sich auf fast zwei Jahre summieren, aber dass er bestehen bleibt, ist keineswegs sicher.

 

Um die Pläne, das Haus zum Heim umzurüsten, gab es vom ersten Tag an Zoff. Bis August 2013 unterrichtete in ihm die FBD Privatschule, die zum Kolping-Bildungswerk gehört. Dessen Vorsitzender Klaus Vogt ist im Rathaus bestens bekannt. Einst arbeitete er als städtische Wirtschaftsförderer. Die Privatschüler zogen in die einstige Neckar-Realschule. Das alte Schulhaus wechselte den Eigentümer. Es gehört einer S-City Grundbesitz. Deren Geschäfte führt der Finanz- und Immobilienberater Tilo Jeutter. Das Unternehmen diente sein Haus bei der Stadt als Flüchtlingsheim an.

Erzürnte Gemüter konnten vorerst beruhigt werden

Allerdings hielt Jeutter es für unnötig, die Miteigentümer über seine Absicht zu informieren. Teile des Geschäftsbaus sind umgewidmet: zu einem Büro, einem Hundesalon und zwei Wohnungen. Deren Besitzer protestierten gegen die Pläne und drohten anfangs sogar mit Klage. Nachdem die Pläne abgespeckt wurden und statt des gesamten Gebäudes nur der hintere Teil mit Flüchtlingen belegt werden soll – mit rund 60 Menschen – schienen die erzürnten Gemüter befriedet. Nach einem Umbau sollte das Haus Ende 2014 bezugsfertig sein. Allerdings verzögerte sich dieser Termin im regelmäßigen Rhythmus um immer neue drei Monate.

Der eigentliche Umbau hat bis jetzt noch nicht begonnen

Tatsächlich hat der Umbau noch nicht einmal begonnen. Was sogar die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle überrascht: „Ich dachte, der wäre längst im Gang – ich habe da Arbeiter gesehen.“ Ihr sei als neuer Einzugstermin zuletzt der September genannt worden. „Ein paar vorbereitende Arbeiten konnten wir machen“, sagt Axel Wolf vom Liegenschaftsamt, „aber den eigentlichen Umbau nicht.“ Denn für den fehlt nach wie vor das entscheidende Dokument: die Baugenehmigung.

Einsprüche wurden eingelegt, von wem ist nicht bekannt

Womöglich sind im Zuge der Verhandlungen mit den Miteigentümern doch nicht alle Gemüter befriedet worden. Womöglich haben auch Nachbarn eine späte Unzufriedenheit mit den Plänen entdeckt. Jedenfalls sind gegen die Umbauten Einsprüche eingelegt worden. Ob aus der Nachbarschaft oder aus dem Haus selbst, will die Baurechtsamts-Leiterin Kirsten Rickes des Datenschutzes wegen nicht preisgeben. Es handele sich aber „um Einwendungen von privater Seite“.

„Ich finde das bedauerlich“, sagt Veronika Kienzle, „das Objekt ist geeignet und ich dachte, nach den Verhandlungen waren die Miteigentümer und auch die Nachbarn einverstanden.“ Jedenfalls hätte es Gelegenheit gegeben, Unmut zu äußern. Zur Bezirksbeiratssitzung zum Thema sind sogar sämtliche Anwohner per Wurfpost eingeladen worden.

Wann über die Einsprüche entschieden wird, ist unvorhersehbar, denn die städtischen Ämter sind nicht Herr des Verfahrens. Sie sammeln lediglich Fakten und formulieren ihre Stellungnahmen. Hernach schicken sie die Akte ins Regierungspräsidium. Dort wird ein Ja oder Nein gesprochen. „Das führt natürlich automatisch zu Zeitverzögerungen“, sagt Rickes. In anderen Fällen ruhten Einspruchsakten sogar jahrelang in der Behörde.

Informationen zu den Flüchtlingsheimen in der Stadtmitte:

Paulinenstraße:
Im Gegensatz zum Heim an der Katharinenstraße ist das einstige Hostel an der Paulinenbrücke in Rekordzeit zum Heim umgerüstet worden. Letzte Arbeiten sind im Gang. Der Bezug soll Ende Juli beginnen. Damit würden zwischen Ankündigung und Belegung nur zwei Monate vergehen. Gegen die Pläne gab es Bedenken wegen des Brandschutzes insbesondere in den beiden obersten Etagen des sechsstöckigen Baus. Nach Auskunft des Liegenschaftsamtes ist der gewährleistet. Die Feuerwehr könne die Bewohner im Notfall mit Leitern auch aus dem Dachgeschoss retten.

Hegelstraße: Auf einem Grundstück beim Linden-Museum plant die Stadt, sogenannte Systembauten für Flüchtlinge aufzustellen. Die Fläche gehört dem Land. Laut dem Stadtplanungsamtsleiter Detlef Kron sind die Verhandlungen nicht beendet. Das Land will auf dem Grundstück Neubauten der Hochschule für Technik errichten, erst Vorlesungsräume, einige Jahre später ein Wohnheim. Auf der Heim-Fläche sind die Systembauten vorgesehen. Der Bezirksbeirat kritisiert, dass die Flüchtlinge wegen des Baus der Unterrichtsräume unter Lärm und Dreck leiden.