Der Freundeskreis West hat zusammen mit Flüchtlingen in der Forststraße einige Hochgärten angelegt. Ziel des Gardening-Projekts von Gabi Schwalenberg ist es, die Bewohner aufzumuntern. Hilfsbereite Leute haben die Materialien dafür gestiftet.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Um die 60 Flüchtlinge wohnen in dem Haus an der Forststraße, darunter zahlreiche Kinder. Dennoch ist der Hof verwaist. Keiner kickt, schwatzt oder hockt hier. Eines der wenigen Lebenszeichen in dem asphaltierten Hof sind seit ein paar Tagen die frisch bepflanzten Hochbeete, aus denen büschelweise Grünzeug emporsprießt. Da kommt gut gelaunt Gabi Schwalenberg über den Hof geschlendert, ruft ein paar Namen zu den Fenstern hoch, und allmählich kommen ein paar Leute aus der Unterkunft herunter.

 

Schwalenberg weist auf zwei Männer. „Wir haben die Beete gezimmert.“ Aus Europaletten haben sie einen Rahmen zusammengenagelt, ihn mit Folie ausgelegt und mit Erde befüllt. Das Baumaterial war eine Spende und „hilfsbereite Menschen haben den Transport übernommen“, sagt Gabi Schwalenberg vom Freundeskreis West. Jetzt gedeihen in den Hochbeeten Tomaten, Zucchini, Kürbis, Fenchel, Mangold, Salat, Erdbeeren, Kraut und Kräuter. „Die Pflanzen haben wir umsonst von einem Gärtnereibetrieb. Die Mitarbeiter dort bekommen immer ein Kontingent an Gratispflanzen. Die haben sie uns geschenkt“, berichtet Schwalenberg.

Mangold für Pita-Füllungen

Bei den Mohammadis weckt die überschaubare Arbeit an den Beeten Erinnerungen an die Gärten ihrer Eltern in Afghanistan. „Wir hatten auch Mangold, den haben wir für die Pita-Füllungen verwendet“, erzählt Mohammad Mohammadi. Man sei einfach in den Garten gegangen, um sich die Dinge zu holen, die man für eine Mahlzeit brauchte. Über die Preise, die man in deutschen Discountern für Gemüse bezahlen muss, kann Mohammadi bloß den Kopf schütteln: So was von teuer!

Zusammen mit seiner Frau war er vor langem in den Iran emigriert. 13 Jahre hat das Paar dort gelebt. 2005 kam ihre erste Tochter, Narges, zur Welt, 2013 folgte das zweite Mädchen. Safiya Mohammadi sagt, die Kinder hätten im Iran keine Schule besuchen dürfen, und überhaupt sei ihre Lage als Ausländer in dem streng gläubigen Land äußerst prekär gewesen. Sie wollten dort weg. Seit fast einem Dreiviertel Jahr lebt die Familie nun in Stuttgart. Mutter, Vater und Töchter pauken Deutsch unter Hochdruck. Safiya Mohammadi ist froh, dass ihre Mädchen eine vernünftige Schulbildung erhalten. Sie ist überzeugt, dass sie in absehbarer Zeit auf eigenen Füßen stehen werden: Ihr Mann, der bislang als Installateur arbeitete, sucht einen Ausbildungsplatz in diesem Bereich, und sie möchte den Beruf der Erzieherin erlernen.

Die Ausbeute ist nicht groß

Die Mohammadis und ein paar andere arbeiten gerne beim Hochbeet-Projekt mit, obwohl sie wissen, dass dies kein ernstzunehmendes Gärtnern mit nennenswerter Ausbeute ist. Ein junger Asylbewerber aus Kamerun drückt es so aus: „Das hier ist nicht die Wirklichkeit“, bemerkt er nachdenklich und weist auf die gezimmerten Hochbeete. „Das hier ist bloß Spiel.“ Das sei ihr schon klar, entgegnet ihm Schwalenberg. Doch ist ihre Sichtweise weniger philosophisch, eher pragmatischer Natur: „Wir versuchen hier nur, das triste Leben ein ganz klein bisschen schöner zu machen.“ Der junge Mann nickt verständnisvoll: „Sie senden eine positive Botschaft.“

Immerhin kommen die Leute mal im Hof zusammen. Dabei hatten die Anrainer vor dem Einzug der ersten Flüchtlinge in der Forststraße befürchtet, der Hof würde ihnen Schmutz und Dauerlärm bescheren. Doch seien den Bewohnern die Ruhezeiten mitgeteilt worden, teilt das städtische Sozialamt auf Nachfrage mit. Außerdem sei auf Drängen der Nachbarschaft zunächst ein Rauchverbot im Hof ausgesprochen worden. „Der Versuch hat aber klar gezeigt: Dies ist in der Praxis ohne Rund-Um-Die-Uhr-Kontrolle allerdings nicht haltbar.“

Gabi Schwalenberg kennt die Lebensgeschichten der Bewohner, unterhält sich mit allen, erkundigt sich. Seit Januar engagiert sie sich im Freundeskreis. „Ich konnte zuletzt kaum mehr die Tagesschau ansehen. Ich habe die Berichte über das Elend der Flüchtlinge nicht mehr ertragen. Ich dachte, dass man endlich etwas tun müsse, dass ich nun etwas tun muss.“ Es ging ihr gar nicht darum, gleich am großen Rad zu drehen. Aber sie hat ein Gardening-Projekt auf die Beine gestellt. Aus einem Tütchen streut sie den Kindern Bohnensamen in die hohlen Hände, damit sie sie in die Erde drücken. Die Pflanzen sollen an eigens angenagelten Stangen emporranken.

Die Beete werden keine ganze Flüchtlingsunterkunft ernähren. Trotzdem sind das Obst und Gemüse kein Spiel, sondern echt, sagt Schwalenberg. Die Kinder werden sich Erdbeeren in die Backe schieben, der Rosmarin wird einen Eintopf verfeinern, der Mangold vielleicht in einem Pita-Teig versenkt und Schwalenberg denkt, dass all das immerhin etwas Freude bringt.