Zu wenig Personal, ein zu hoher Krankenstand und ein massiver Raummangel: Die Stuttgarter Ausländerbehörde hat zurzeit massive Probleme. Deswegen müssen vorerst jetzt vier von fünf Schaltern geschlossen werden.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Entspannung ist nicht in Sicht in der Stuttgarter Ausländerbehörde. Weiterhin prägen stundenlang wartende Flüchtlinge das Bild auf den Fluren vor der Asylstelle. Zwar hat der Gemeinderat erst Ende Juli vier Vollzeitstellen für die Asylstelle genehmigt, doch die Leiterin Gerda Kinateder „sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels“. Vielleicht werde die Situation Ende des Jahres „erträglich“, das komme aber auf die weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen an – und deren Kurve zeigt klar nach oben.

 

Größere Sorgen als die Asylstelle macht der Leiterin aber inzwischen der Kernbereich ihrer Dienststelle: das Team, das für die Aufenthaltsdokumente der hier lebenden Stuttgarter mit Migrationshintergrund zuständig ist. Hier drohen sehr bald ähnliche Zustände wie im Asylbereich.

„Der Kernbereich der Ausländerbehörde ist gefährdet“, warnt Gerda Kinateder. Es gebe „massive Probleme“. Seit ungefähr eineinhalb Jahren habe sich die Personalnot immer mehr zugespitzt.

„Es wird zu langen, langen Warteschlangen kommen“

Nun zieht die Chefin die Reißleine: Vom 1. September an werden vier von fünf Schaltern geschlossen, die Kunden ohne Termin aufsuchen können. Die Priorität liegt dann auf der Bearbeitung der Termine. Wer schnell etwas klären muss, hat also ein Problem. Denn kurzfristig sind keine Termine zu bekommen, frühestens in drei bis fünf Wochen. Bürger mit dringenden Anliegen müssen sich künftig an den letzten verbliebenen Schalter anstellen.

„Es wird zu langen, langen Warteschlangen kommen“, prognostiziert Gerda Kinateder. Betroffen seien weit mehr Menschen als im Fall der Asylstelle, nämlich rund 140 000 Stuttgarter – und natürlich indirekt deren Arbeitgeber. „Gefragt ist eine Willkommenskultur, aber wir können nicht einmal unsere Pflichtaufgabe erfüllen“, bedauert die Behördenchefin.

Doppelt so hoher Krankenstand wie üblich

Im Fall der Ausländerbehörde kommen gleich mehrere Probleme zusammen: der hohe Krankenstand der Mitarbeiter, der etwa doppelt so hoch sein soll wie üblich, die Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu finden – und eine massive Raumnot. Selbst wenn sie die freien Stellen alle besetzen könnten, hätten sie gar keinen Platz für die neuen Kollegen, erklärt Gerda Kinateder. Schon jetzt säßen die Mitarbeiter extrem beengt im Großraumbüro, noch mehr verdichten könne man nicht.

Weil ein Teil der Kollegen in Teilzeit arbeite, benötige man mehr als 100 Arbeitsplätze für die 92,5 Planstellen. Ersten Teilzeitkräften soll schon mitgeteilt worden sein, zu welchen Zeiten sie einen Arbeitsplatz haben. „Die Situation ist nicht zumutbar, nicht für uns und nicht für die Kunden“, sagt die Amtsleiterin.

Weil wohl erst 2018 im Zuge der Sanierung des Schwabenzentrums die große Lösung fürs gesamte Ordnungsamt kommt, fordert die Leiterin der Ausländerbehörde zeitnah eine „kleine Lösung“, damit sie Platz beziehungsweise Räume für die neuen Arbeitsplätze bekommt.

Einarbeitung neuer Mitarbeiter dauert mindestens ein Jahr

Wie belastend die Situation für die Mitarbeiter ist, zeigt sich an der seit Jahren hohen Personalfluktuation. Seit 2011 haben 63 Mitarbeiter die Dienststelle wieder verlassen, davon allein 23 im vergangenen Jahr. Weil der Arbeitsmarkt in diesem Bereich leer gefegt ist, sei es schwierig, die offenen Stellen zu besetzen, berichtet Kinateder. Oder wenn sie besetzt werden konnten, dauere die Einarbeitung ins Aufenthaltsrecht sehr lang: Mit einem Jahr müsse man rechnen. Versiert seien die Sachbearbeiter allerdings erst nach zwei bis drei Jahren, wie auch eine Studie des Innenministeriums ergeben habe.

Immerhin – von den vier genehmigten Personalstellen für die Asylstelle sind zwei ab September besetzt: darunter ist eine Auszubildende, die dann ausgelernt hat, und seit Juli qualifiziert wird. Die zwei anderen Stellen sind ausgeschrieben, Vorstellungsgespräche sind für den 19. und   20. August terminiert. Arbeitsbeginn: offen.

Auch die nächsten Monate müssen sich die Flüchtlinge auf der Asylstelle also in Geduld üben. Die Stimmung vor Ort soll angespannt sein – eine fehlende Klimaanlage tut bei der Hitze ihr Übriges. Die Helferin eines minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlings berichtet beispielsweise, sechseinhalb Stunden vergeblich gewartet zu haben, beinahe habe es wegen Vordrängelns eine Schlägerei gegeben. „Auf jede Frage wird unfreundlich geantwortet“, beschwert sie sich. Einen Getränkeautomaten gebe es nicht. „Wir fühlten uns wie Menschen zweiter Klasse.“