Beim Kleinfeldturnier mit den Spielern der B1-Junioren des SV Vaihingen finden unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge Anerkennung – und ein Stück Normalität.

Vaihingen - Über dem Kunstrasenplatz des SV Vaihingen klingt ein bunter Sprachen-Mix aus Englisch, Französisch und Deutsch. Wenn die Worte ausgehen, helfen Gesten und Blicke dabei, den Ball über das Spielfeld zu dirigieren. Die Sprache des Sports versteht jeder. 40 jugendliche Flüchtlinge, die ohne ihre Familien nach Deutschland gekommen sind, waren am Samstag bei den B1-Junioren auf der Sportanlage am Schwarzbach zu Gast. Beim gemeinsamen Kleinfeldturnier konnten sie Normalität erleben und entspannt Kontakte knüpfen.

 

Als die bunt gemischten Teams mit der Jagd auf die Tore beginnen, steht Ali Zaidi vom Jugendamt Stuttgart am Spielfeldrand und drückt seinen Schützlingen die Daumen. Der Leiter der Gruppe für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge hat die Aufgabe übernommen, den Jugendlichen und jungen Männern mit Hilfe des Sports die Integration zu erleichtern. Mal ist es Kricket, mal Fußball – einmal im Monat ist man bei einem Stuttgarter Sportverein zu Gast. „Mittlerweile sind die Trainer und Jugendleiter sehr offen dafür. Das war vor einem Jahr noch anders“, erzählt der Sozialpädagoge.

Wenn Zaidi die Einladung zum Sportevent an die rund 400 Jugendlichen verschickt, die derzeit unter der Obhut des Jugendamts in den verschiedenen Aufnahmestellen leben, gehen dort sofort die Hände nach oben. Der Sport hat nicht nur eine große integrative Kraft, er schenkt den Flüchtlingen auch eine Auszeit vom Alltag. „Viele Jugendliche sind traumatisiert. Sie haben auf der Flucht schlimme Dinge erlebt und bekommen sie nicht aus dem Kopf. Wenn sie sich in der Gemeinschaft aufgehoben fühlen und dem Ball hinterherjagen, bleibt für trübe Gedanken kein Platz“, erzählt der Sozialpädagoge von seinen Beobachtungen.

Ein junges Talent spielt in der A-Jugend

Diesen Eindruck bestätigen Nina Heffner und Frank Marggraf vom Kinderhaus Degerloch, die gemeinsam mit drei Jugendlichen nach Vaihingen gekommen sind. „Unsere Jungs sind hoch motiviert. Sie wollen dabei sein, sich integrieren, die Sprache lernen und Leistung zeigen. Da fehlt keiner freiwillig im Training“, sagt die Betreuerin. Ihr Kollege denkt weiter: „Ideal wäre es, die Jugendlichen in die Vereine zu integrieren. Dort lernen sie Gleichaltrige kennen, können ihren Wortschatz erweitern und ihre Sprachfähigkeit schulen.“ In einem Fall ist das bereits gelungen – ein junges Talent spielt inzwischen in der A-Jugend des FV Germania Degerloch.

Von Erfolgen auf dem Fußballplatz träumt auch der 18-jährige Seydon (Name geändert) von der Elfenbeinküste. Seine Eltern sind in der Heimat gestorben. Verwandte gibt es nicht. „Ich hatte dort keine Zukunft“, sagt der junge Mann, der sich alleine bis nach Libyen durchschlug und von dort mit dem Boot nach Italien übersetzte. Fragen nach seinen Erlebnissen wehrt er ab. Er will nur noch nach vorne schauen: „Ich mache meinen Hauptschulabschluss.“ Als Berufswunsch gibt er Fußballprofi an. „Wenn das nicht klappt, werde ich Drucker wie mein Vater“, hat er sich vorgenommen.

Auch der 17-jährige Demba (Name geändert) ist nicht nur auf dem Spielfeld ein Stratege. Heimlich hat er mit Unterstützung seiner Mutter Tiere aus der Herde der Familie verkauft, um die Flucht zu finanzieren. „Ich konnte keine Schule besuchen und hatte keine Perspektive“, sagt er. Jetzt besucht er fleißig den Alphabetisierungs- und Sprachkurs und hat in einer Degerlocher Kfz-Werkstatt ein Praktikum begonnen. „Seine Fortschritte sind beachtlich“, lobt Nina Heffner.

Fortschritte, die auch daher rühren, dass Seydon und Demba gezielt den Kontakt zu gleichaltrigen deutschen Jugendlichen suchen. Beim Kleinfeldturnier in Vaihingen gehen sie offen auf die Spieler der B-Jugend zu, stellen sich in den Dienst der Mannschaft und lassen sich von der Begeisterung der anderen anstecken. B1-Coach Stephan Tregel, Co-Trainer Jonas Koch und Betreuer Michael Kittelberger, der als Schiedsrichter auf dem Platz steht, sind begeistert. „Die Jungs sind hilfsbereit und organisieren sich selbst. Ich bin eigentlich überflüssig“, stellt der Schiri nach einer halben Stunde fest. Auch Trainer Tregel ist positiv überrascht: „Wie hatten keine Ahnung, wie das funktioniert. Jetzt muss ich sagen: Es läuft besser als gedacht. Sobald der Ball rollt, gibt es keine Unterschiede mehr.“ Eine Wiederholung im kommenden Jahr sei deshalb nicht ausgeschlossen.