Mehr Mindestwohnfläche für Flüchtlinge: Das hat Grün-Rot eigentlich beschlossen. Doch die steigenden Asylbewerberzahlen zwingen die Landesregierung zum Umsteuern - nicht nur beim Thema Wohnfläche.

Stuttgart - Mehr Aufnahmeplätze, eine Task-Force auf Landesebene und mehr Abschiebungen: Diese Maßnahmen werden an diesem Montag bei einem Spitzentreffen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Stuttgart diskutiert. Hintergrund sind die rapide steigenden Flüchtlingszahlen in Baden-Württemberg und die Probleme, die es insbesondere bei der Unterbringung gibt. Grün-Rot wird voraussichtlich von einer eigenen Gesetzesänderung zunächst Abstand nehmen. Die ursprünglich für Anfang 2016 beschlossene Regelung, nach der die Mindestwohnfläche für Flüchtlinge von 4,5 auf 7 Quadratmeter steigen soll, wird sehr wahrscheinlich für zwei Jahre ausgesetzt.

 

Zuvor hatten die Kommunen auf immense Probleme im Umgang mit Flüchtlingen hingewiesen und vor einem Kippen der Stimmung in der Bevölkerung gewarnt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte dazu der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag): „Ich kann nicht erkennen, dass die Stimmung bei uns am Kippen ist.“ Jedenfalls nehme er in Baden-Württemberg keine generell fremdenfeindliche Stimmung wahr. „Das, was ich erlebe, sind Fälle, bei denen man mit den Bürgern reden muss, weil es Ängste und Probleme gibt.“ Aus dem Landtagswahlkampf werde man das Thema nicht heraushalten können. „Aber wir müssen verhindern, dass es populistisch diskutiert wird.“

Freiwillige Rückkehr soll bevorzugt werden

Abgelehnte Asylbewerber sollen stärker zu einer freiwilligen Rückkehr bewegt werden. „Wir werden auch über Restriktionen reden, wenn abgelehnte Asylbewerber sich der Rückführung entziehen“, sagte der Grüne. Es sei eine Tatsache, dass den meisten Armutsflüchtlingen gesagt werden müsse: „Tut uns leid, ihr müsst zurück.“ Er habe aber Verständnis für Menschen, die aufgrund wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit nach Deutschland kämen. Kretschmann plädierte dafür, hoch qualifizierten Flüchtlingen vom Westbalkan das Einwandern zu erleichtern.

Nach Baden-Württemberg kommen im laufenden Jahr mindestens 52 000 neue Asylbewerber - wahrscheinlich werden es sogar an die 80 000 sein. Angesichts der Engpässe bei der Unterbringung kündigte Kretschmann an, das Land werde den Kreisen die kostenlose Überlassung von Liegenschaften und Landesgrundstücken anbieten.

Wie Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) bereits angekündigt hat, werden die Plätze zur Erstaufnahme von Flüchtlingen von derzeit rund 9000 bis zum Herbst um mehr als 5000 aufgestockt. Weitere 5000 Plätze sollen nach Kretschmanns Angaben im Laufe des kommenden Jahres bereitgestellt werden. Zudem ist eine interministerielle Task Force für alle Fragen rund um das Flüchtlingsthema geplant. Finanzminister Nils Schmid (SPD) will zudem in 2016 mindestens 30 Millionen Euro für ein Wohnraumprogramm zur Unterbringung von Flüchtlingen auflegen.

Städtetagspräsidentin Barbara Bosch (parteilos) sprach sich dafür aus, Flüchtlinge je nach Bleibeperspektive getrennt unterzubringen. Es kämen Flüchtlinge von den Landeserstaufnahmestellen in die Kommunen, die „ganz offensichtlich und erwartbar“ nicht bleiben würden, weil ihr Asylbegehren keinen Erfolg haben werde, sagte Bosch am Montag im Südwestrundfunk (SWR). Sie nannte Flüchtlinge vom Westbalkan und aus dem Kosovo. „Hier wäre eine klarere Trennung auch der Flüchtlinge hilfreich für alle Beteiligten.“