Dem Gesetz nach müssen Asylbewerber ihr Vermögen aufbrauchen, bevor sie staatliche Leistungen in Anspruch nehmen dürfen. Viele Bundesländer setzen das aber nur halbherzig um.

Stuttgart - Müssen Flüchtlinge in Deutschland ihr mitgeführtes Bargeld oder ihren Schmuck abgeben? In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung hatte Bayerns Innenminister Joachim Hermann kürzlich auf die Praxis im Freistaat verwiesen: Asylbewerber würden dort bei der Ankunft in den Aufnahmeeinrichtungen auf Wertsachen und Geld durchsucht, Beträge über 750 Euro würden einbehalten. In Baden-Württemberg, so der „Bild“-Bericht weiter, dürften die Asylbewerber nur 350 Euro behalten.

 

Tatsächlich sieht das Asylbewerberleistungsgesetz vor, dass Flüchtlinge – ähnlich wie Hartz-IV-Empfänger – ihr Einkommen und Vermögen aufbrauchen müssen, bevor sich staatliche Leistungen in Anspruch nehmen können. Die Kosten für Unterkunft und Sachleistungen müssen sie, soweit eigenes Vermögen vorhanden ist, zurückerstatten. Der im Gesetz festgesetzte Freibetrag beträgt sogar nur 200 Euro.

Doch offenbar setzen die meisten Bundesländer diese Regelung nicht effektiv um. „Wir praktizieren keine systematischen Durchsuchungen der Flüchtlinge in den Landeserstaufnahmestellen“, erklärt ein Sprecher des baden-württembergischen Integrationsministeriums. Die dortigen Mitarbeiter seien dazu rechtlich nicht befugt und müssten dafür die Polizei um Amtshilfe bitten. Außerdem ginge es in den Leas erst einmal darum, die Flüchtlinge notdürftig zu versorgen. „Wenn sie in die dauerhaften Einrichtungen kommen, werden sie dort zu ihrem Vermögen befragt.“ Zuständig dafür sei dann die entsprechende Stadtverwaltung oder das Landratsamt.

Nur die Bayern setzen auf Durchsuchungen

Eine Nachfrage bei der Stadt Stuttgart ergibt, dass die Asylbewerber auch dort nicht durchsucht, sondern zu ihrem Vermögen befragt werden. Geben die Flüchtlinge einen Betrag an, der über der Grenze von 350 Euro liegt, werde dieser entsprechend von der Sozialhilfe abgezogen. Dies käme in der Praxis allerdings „äußerst selten“ vor. Schmuck werde schon allein deshalb nicht einbehalten, weil der Prozess der Schätzung zu aufwendig sei.

Auch andere Bundesländer setzen auf Befragungen und lehnen es ab, Flüchtlinge zu durchsuchen. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, hieß es etwa aus dem niedersächsischen Innenministerium. Das brandenburgische Innenministerium teilte mit, dass noch niemandem Vermögen entzogen worden sei.

Die Bayern bestehen dagegen darauf, dass ihre Praxis rechtmäßig ist. Laut dem bayerischen Sozialministerium dürfen die Mitarbeiter der Aufnahmeeinrichtungen die Habseligkeiten eines Asylbewerbers tatsächlich nicht gegen dessen Willen durchsuchen. Weigere sich dieser, werde aber die Polizei um Amtshilfe gebeten, diese habe die entsprechende Befugnis. „In der Mehrzahl der Fälle werden allerdings keine größeren Geldmengen mitgeführt“, so eine Sprecherin.