Wenn Mensche Ängste haben wegen in der Nachbarschaft bestehender Flüchtlingsunterkünfte, sei das berechtigt, schreibt die StZ-Redakteurin Nicole Höfle. Man dürfe aber das Leid der oft traumatisierten Flüchtlinge nicht vergessen.

Stuttgart - Für alte Hasen in der Flüchtlingsarbeit sind Proteste wie der jüngste in Feuerbach nichts Ungewöhnliches. Ist ein Flüchtlingsheim in der Nachbarschaft geplant, werden Ängste wach. Jahrelang war von diesen Protesten nichts zu spüren, weil die Flüchtlingszahlen zurückgingen und die Sozialverwaltung lediglich vermeldete, wie viele Unterkünfte wieder anderweitig genutzt werden konnten.

 

Die Weltlage ist eine andere, die Flüchtlingszahlen steigen, Prognosen werden überholt, kaum dass sie ausgesprochen sind. Im Moment geht die Stadt Stuttgart davon aus, dass im nächsten Jahr jeden Monat 150 neue Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Damit ist klar: Unterkünfte werden gebraucht – und schon sind sie wieder da, die alten Vorbehalte. Nun kann man den Nachbarn ihre Ängste nicht vorwerfen. Ein Flüchtlingsheim in der unmittelbaren Nachbarschaft verändert die Lebenslage und bringt auch Belastungen für die Anwohner mit sich. Es ist legitim, diese Befürchtungen zu äußern.

Nicht in Ordnung ist es aber, wenn Schulwege als unsicher erklärt werden, wenn Gerüchte über Milzbranderreger auf dem Baugelände in die Welt gesetzt werden oder, noch schlimmer, wenn in der Diskussion Flüchtlinge pauschal kriminalisiert werden. Dann werden Grenzen überschritten, damit lotsen sich die Anwohner und Politiker ins Abseits. Denn eines sollten auch die Nachbarn nicht vergessen: Die Flüchtlinge haben schlimme Schicksale erlitten, sind vielleicht irgendwo vor der italienischen Küste aus einem Schlauchboot gezogen worden. Sie brauchen Menschen, die ihnen helfen. Und keine Menschen, die schon vorab ihr Urteil gefällt haben.