Die Welle der Asylverfahren überrollt die Verwaltungsgerichte auch in Baden-Württemberg. Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) will „in erheblichem Umfang“ weitere Stellen schaffen. Immerhin: Die Zusammenarbeit mit dem Bamf bessert sich offenbar.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Welle an Asylklagen, die über die Verwaltungsgerichte hinwegrollt, gewinnt weiter an Wucht. Mitte Juli waren bundesweit mehr als 283 000 Verfahren anhängig – fast doppelt so viele wie Ende 2016. Zudem wurden nach Angaben des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim allein in Baden-Württemberg bis Ende August 34 219 neue Verfahren für 2017 gezählt – nach 10 006 ein Jahr zuvor. Ende 2016 waren es im Südwesten insgesamt 18 235 Neueingänge, in diesem Jahr sind – hochgerechnet – mehr als 50 000 neue Klagen zu erwarten.

 

Bezogen auf die vier Verwaltungsgerichtsbezirke im Land ist Stuttgart am stärksten belastet mit 12 206 neuen Verfahren bis Ende August (Vorjahresstand 3388) vor Karlsruhe mit 10 744 Klagen (2983), Freiburg mit 6273 (1998) und Sigmaringen mit 4996 (1637). Erledigt wurden in diesem Jahr bisher erst 13 651 Verfahren: 4905 in Karlsruhe, 3975 in Stuttgart, 2706 in Freiburg und 2065 in Sigmaringen.

Neue Stellen „in erheblichem Umfang“ versprochen

Obwohl bereits 2016 zusätzliche 26 Richterstellen und 18 weitere Stellen für Servicekräfte in den Geschäftsstellen geschaffen wurden, sieht Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) akuten Handlungsbedarf: „Die Flüchtlingskrise ist voll bei den Verwaltungsgerichten angekommen und stellt uns vor große Herausforderungen“, sagte er unserer Zeitung. „Wir kommen nicht umhin, auf diese dramatischen Zahlen zu reagieren.“ Benötigt würden zusätzliche Richter und neue Servicekräfte. Er sei zuversichtlich, „dass wir mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 in erheblichem Umfang Neustellen für die Verwaltungsgerichte schaffen können“. Da die Notlage keinen Aufschub dulde, würden seit August bereits weitere Richter eingestellt, die übergangsweise aus dem allgemeinen Personalbudget finanziert werden. „Dies dient dem Ziel, schnell und flexibel auf die außergewöhnliche Belastungssituation zu reagieren.“ Zahlen nannte Wolf nicht, unlängst hatte er von 50 fehlenden Richtern in dem Bereich gesprochen.

Das Bamf bemüht sich um eine Verbesserung

Dass die Gerichte mit Klagen gegen Asylbescheide überhäuft werden, hängt auch mit der Qualität der Bescheide zusammen, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erteilt werden. So hatten Praktiker im Südwesten schon zuvor bemängelt, dass Anhörungen unzureichend dokumentiert und inhaltlich unvollständig seien. Telefonische Nachfragen beim Bamf verlören sich in endlosen Verweisungsketten. „In der Tat ist die Prozessführung durch das Bundesamt vor den Verwaltungsgerichten nicht zufriedenstellend“, bekannte Wolf. Allerdings habe sich das Bamf zwischenzeitlich um eine Verbesserung bemüht. „Inzwischen erhalten wir aus der Praxis erste positive Rückmeldungen“, sagte der Minister.

Bundesweit gingen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 146 000 neue Asylklagen ein, wie das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke antwortete. Etwa zwei von drei Ablehnungsbescheiden des Bamf landen demnach vor Gericht. Die Entscheidung der Gerichte fiel demzufolge fast in der Hälfte der Fälle zugunsten der Asylbewerber aus. Vier von fünf Syrern und drei von fünf Afghanen bekamen letztendlich Recht. Besonders heftig wehren sich Asylbewerber gegen die Verleihung des subsidiären Schutzes. Dieser Status verhindert, dass sie ihre Ehepartner, Kinder oder Eltern nachholen können.

Kaum jeder dritte Kläger kommt durch

Der Familiennachzug ist vorerst bis März 2018 ausgesetzt. Die Mehrzahl der 11 000 in diesem Jahr dazu gefällten Entscheidungen fiel im Sinne der Kläger aus. Dabei handelte es sich oft um Syrer oder Iraker, die vor Gefechten in ihrer Heimat geflohen waren.

Nach den Zahlen des Mannheimer Verwaltungsgerichtshofs gehen die Kläger mit mäßigen Erfolgsaussichten in die Hauptsacheverfahren: So wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 27,6 Prozent der Klagen stattgegeben und 4,7 Prozent teilweise stattgegeben – während 26,8 Prozent der Klagen abgelehnt wurden. In den übrigen Verfahren erfolgte der Abschluss insbesondere durch Rücknahme der Klage, durch Verweisung an ein anderes Gericht und durch Hauptsacheerledigung aus anderen Gründen.

Während dem VGH für 2017 noch keine Zahlen zu den Herkunftsländern vorliegen, zeigt die Statistik für 2016, dass die Syrer mit einem Anteil von 21,6 Prozent vor den Kosovaren (12,6), Serben (7,9), Pakistanis (7,4) und Mazedoniern (6,9 Prozent) am häufigsten geklagt haben. 2015 waren die Balkanländer und Gambia stark vertreten.