Der Landkreis Esslingen steigt aus 22 geplanten Bauprojekten für die Erstunterbringung von Flüchtlingen aus. Der Druck lastet nun auf den Städten und Gemeinden.

Kreis Esslingen - Wir sind dann mal raus.“ Ganz so flapsig hat es der Esslinger Landrat Heinz Eininger vor den Rathauschefs bei der jüngsten Bürgermeisterversammlung im Kreis Esslingen zwar nicht gesagt. Aber der Satz trifft die Kehrtwende, die der Landkreis bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen macht. Machen muss, sagt Eininger. „Das Land hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Leerstände zu vermeiden sind“, so der Kreischef. Weil die Zuzüge von Asylsuchenden drastisch zurückgehen, legt die Kreisverwaltung den Bau neuer Unterkünfte auf Eis. Auf der Streichliste, die Eininger den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern jetzt präsentiert hat, stehen nicht weniger als 22 Standorte in 19 Kommunen.

 

Unterm Strich wäre in den schon geplanten, aber nun doch nicht gebauten Unterkünften Platz für rund 2200 Menschen gewesen. Falls die Kommunen, die nun wegen der Anschlussunterbringung anerkannter Asylbewerber unter Druck kommen, die baureifen Projekte des Landkreises übernehmen wollten, dann steht dem aus Sicht der Landkreisverwaltung nichts entgegen.

Kommunen müssen sich bis zum 1. März äußern

Gleiches gilt für die schon jetzt belegten 1700 Plätze, die der Landkreis bis zum Jahr 2020 abbauen will. Abzüglich der Unterkünfte, bei denen die Mietverhältnisse auslaufen, werden in den kommenden drei Jahren bis zu 1200 Plätze frei. „Die stehen den Kommunen ab sofort sukzessive zur Übernahme zur Verfügung“, so der Kreischef. Zudem verschafft der Landkreis den Gemeinden Luft, indem er 600 Flüchtlinge weiter in seinen Unterkünften hält, obwohl die aufgrund ihres Status’ schon in die Obhut der Gemeinden hätten wechseln müssen.

Bis zum 1. März haben die Kommunen nun Zeit, dem Landratsamt mitzuteilen, wie sie die Quote der Anschlussunterbringung im Jahr 2017 zu erfüllen gedenken – aufgeschlüsselt nach Monaten. Vor allem die Städte und Gemeinden, die sich in der Erstunterbringung von Flüchtlingen bisher eine vornehme Zurückhaltung auferlegt haben, dürfte dieses Ansinnen erheblich unter Druck setzen. „Kommunen, die bisher eine unterdurchschnittliche vorläufige Unterbringung aufweisen, erhalten entsprechend zusätzliche Zuweisungen in die Anschlussunterbringung“, kündigt Eininger an. Wer bisher mehr als gefordert untergebracht hat, wird dagegen in der künftigen Zuweisung entlastet.

Die mit einem Appell an die kommunale Solidarität versehene Ankündigung stößt bei Peter Jahn, dem Bürgermeister von Denkendorf und Vorsitzenden des Esslinger Kreisverbands des baden-württembergischen Gemeindetags auf Verständnis. „Der Kelch wird an keiner Gemeinde vorübergehen“, sagt der Sprecher der Bürgermeister im Landkreis. Mit den Herausforderungen umzugehen, zu denen Jahn nicht nur die Anschlussunterbringung, sondern auch den Familienzuzug und die Integration zählt, sei eine dauerhafte Aufgabe, für die es keine Blaupause gebe.

Pragmatische Einschätzung in Kirchheim

Entsprechend unterschiedlich fallen die Reaktionen in den betroffenen Rathäusern aus. Ganz pragmantisch sieht es die Kirchheimer Ratschefin Angelika Matt-Heidecker. „Jeder Standort weniger bedeutet weniger Widerstand in der Bevölkerung“, lässt sie sich in der Lokalzeitung zitieren. In der Teckstadt, die den Bau von günstigen Unterkünften derzeit massiv voranbringt, fällt die geplante Erstaufnahme in der Tannenbergstraße weg.

Auch im benachbarten Notzingen hält sich die Aufregung ob des Baustopps in Grenzen, obwohl dort der Kreis den Mietvertrag für die ehemalige Gaststätte Lamm auf Eis gelegt hat. „Wir bauen die für 20 Flüchtlinge vorgesehene Etage trotzdem aus und bringen die Menschen unter, die in der Anschlussunterbringung zu uns kommen“, sagt der Bürgermeister Sven Haumacher. Da Notzingen im laufenden Jahr 34 anerkannten Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf bieten muss, kommen ihm die Zimmer im Lamm gerade recht.

Weniger erfreut ist man in der Stadt Esslingen. Dort zieht sich der Landkreis aus seinem Engagement auf dem CVJM-Gelände an der Römerstraße zurück. Die Stadt will die Lücke nicht schließen, zumal allein die Erschließungskosten für die 300 Personen fassende Unterkunft deutlich über einer Million Euro liegen dürfte. Am liebsten, so bekennt der Esslinger Sozialbürgermeister Markus Raab, wäre es ihm gewesen, der Landkreis hätte gebaut und die Stadt hätte sich in kleinere Einheiten für die Anschlussunterbringung eingekauft. Jetzt muss die Stadt schauen, wie sie die ihr voraussichtlich zugewiesenen 250 Flüchtlinge anderweitig unterbringen kann.