Dass 2015 die Flüchtlingszahlen steigen werden, davon waren die Fachleute längst ausgegangen. Doch die Zahl der Menschen, die in den nächsten Monaten ankommen werden, dürfte nochmal deutlich höher ausfallen als angenommen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Dass auch im laufenden Jahr die Flüchtlingszahlen steigen werden, davon sind die Fachleute längst ausgegangen. So wie es aussieht, wird der Zuwachs an Menschen, die in Stuttgart in den nächsten Monaten ankommen, aber deutlich höher ausfallen als bisher angenommen. Nachdem das Land seine Prognosen für 2015 nun aktualisiert hat, muss man bei der Stadt damit rechnen, Plätze für nahezu 2500 Menschen schaffen zu müssen. Das sind doppelt so viele wie im vergangenen Jahr.

 

Im Herbst des Vorjahres hatte das Land eine erste Prognose an die Kreise und Kommunen übermittelt, in welchem Umfang Baden-Württemberg Menschen wird aufnehmen müssen, die in Deutschland Zuflucht suchen. Im September war man landesweit von rund 26 000 sogenannten Erstanträgen ausgegangen, dazu noch von rund 4000 Folgeanträgen, die von Flüchtlingen gestellt werden, deren Asylanträge bereits abgelehnt wurden. Da die Landeshauptstadt nach dem geltenden Schlüssel stets 6,21 Prozent der im Land ankommenden Flüchtlinge unterbringen muss, hätte dies für Stuttgart eine Zuweisung von insgesamt rund 1860 Personen bedeutet.

2484 weitere Flüchtlinge könnten nach Stuttgart kommen

Aufgrund der jüngsten Entwicklung aber hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und mit ihm das Land die bisherigen Annahmen nach oben korrigiert. Danach rechnet man nun für Baden-Württemberg in diesem Jahr mit etwa 33 000 ankommenden Flüchtlingen, die einen Erstantrag auf Asyl stellen werden, und mit rund 7000 Folgeanträgen. Dies würde für Stuttgart rein rechnerisch wiederum eine Zuweisung von 2484 Menschen bedeuten.

Was diese Aussicht für die Stadtverwaltung bedeutet, lässt sich durch einen Vergleich mit den Vorjahren illustrieren. Im Jahr 2013 hat die Landeshauptstadt insgesamt genau 761 Menschen in bestehenden oder neuen Flüchtlingsheimen und Wohnungen untergebracht. Diese Zahl ist im Jahr 2014 auf 1236 deutlich gestiegen. Treffen die Prognosen von Bund und Land ein, würde Stuttgart also gut doppelt so viele Flüchtlinge unterbringen müssen wie im Vorjahr. Gegenwärtig leben 3040 Menschen in Stuttgarter Unterkünften.

Spatz: Prognose ist ungewöhnlich hoch

Die meisten Flüchtlinge, die der Stadt derzeit zugewiesen werden, kommen aus den Kriegsgebieten in Syrien, gefolgt von Menschen aus dem Kosovo, aus Serbien, Afghanistan, dem Irak, aus Eritrea und Mazedonien, um nur einige zu nennen. Noch bis vor Kurzem standen Flüchtlinge aus dem Kosovo an erster Stelle. Noch immer kommen viele Menschen aus den Ländern des Westbalkans, die inzwischen als sichere Herkunftsländer gelten, und die keine Chance auf Asyl haben. Aus dieser Gruppe stammen auch viele der Asylfolgeanträge.

„Diese Prognose ist ungewöhnlich hoch, das haben wir nicht erwartet“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz über die jüngsten Zahlen des Landes. „Das stellt die Stadt vor eine große Herausforderung.“ In der kommenden Woche werde sich die sogenannte Task-Force, eine Art Arbeitsgruppe speziell für dieses Thema, treffen und sich mit der neuen Lage befassen.

Bereits im vergangenen Jahr war man noch unter der Maßgabe der alten Prognose davon ausgegangen, dass die Zahl der Heimplätze für Flüchtlinge nicht ausreichen wird, auch nicht mit den bereits neu errichteten oder noch geplanten sogenannten Systembauten. Insgesamt 70 Flüchtlingsunterkünfte gibt es in Stuttgart inzwischen. Weil der Wohnungsmarkt angespannt ist und kaum leer stehende Gebäude zur Verfügung stehen, hat sich die Stadt entschlossen, die nötigen Plätze in neuen Fertigbauten zu schaffen. Stets mit großer Mehrheit hat der Rat bisher 16 Standorte für solche Systembauten beschlossen, von denen viele schon stehen. An einigen Standorten musste die Platzzahl wegen der gestiegenen Flüchtlingszahlen erhöht oder bestehende Einrichtungen erweitert werden. Das hat insbesondere im Umfeld der Unterkunft Schelmenäcker in Feuerbach zu Protesten geführt. Groß ist nach wie vor die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürger, sich für die ankommenden Flüchtlinge einzusetzen. Um jede Unterkunft hat sich ein Flüchtlingsfreundeskreis gebildet. Rund 800 Ehrenamtliche engagieren sich.