Die große Mehrheit der Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat ist mit dem bisher Erreichten in der Flüchtlingsarbeit zufrieden.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Knapp 8600 Flüchtlinge leben inzwischen in den Unterkünften der Landeshauptstadt. Den ersten Schritt für deren Integration, die Unterbringung, habe die Verwaltung zusammen mit vielen Ehrenamtlichen gut gemeistert, ist die Ansicht der großen Mehrheit im Gemeinderat. Zufrieden ist man in der Kommunalpolitik auch mit den weiteren Weichenstellungen. So wird das Jobcenter Anfang September eine Fachstelle für Flüchtlinge eröffnen, Mitte Oktober soll der Campus für Ausbildung seine Arbeit aufnehmen. Über eine Erhöhung des städtischen Personalschlüssels in der Flüchtlingsbetreuung will der Sozialausschuss aber erst nach der Sommerpause entscheiden.

 

Es ist der erste Bericht der sogenannten Task Force Flüchtlinge gewesen, der am Montag dem Sozialausschuss vorgestellt wurde. Ende voriger Woche hatte die Stadt gemeldet, dass nun alle fünf als Notunterkünfte genutzten Turnhallen wieder frei seien. Bis Ende des Monats werden auch die 288 Bewohner des Notquartiers Borsigstraße in einen Systembau umziehen. Somit können alle Interimsunterkünfte, darunter waren alte Schulgebäude und Waldheime, wie bisher genutzt werden.

In den Kursen des Bundes ist auch Wertevermittlung ein Element

Da die monatlichen Zuweisungen neuer Flüchtlingen stark zurück gegangen sind (im Juni waren es rund 100), ist seit dem Frühjahr das Thema Integration stärker in den Blick der im November gebildeten Task Force gerückt. Während anerkannte Flüchtlinge sowie Asylbewerber aus Staaten wie Syrien, Irak und Eritrea Zugang zu Sprachunterricht im Rahmen der Integrationskurse des Bundes haben, hat die Stadt im ersten Halbjahr 60 eigene Deutschkurse mit mehr als 700 Teilnehmern für Menschen aus weiteren Ländern angeboten, sagte Gari Pavkovic, der Leiter der Abteilung Integration, der für die Arbeitsgruppe Sprache und kulturelle Werte zuständig ist. Auch am Thema „Wertevermittlung“ arbeite man, sagte Pavkovic. Mehrere Fraktionen hatten erklärte, dass dieses Thema verstärkt werden müsse. In den Integrationskursen des Bundes ist auch Wertevermittlung ein Element. Die Stadt hat das Thema in die Fortbildung von Heimleitern integriert und arbeitet an einem Konzept eines interkulturellen Trainings für Flüchtlinge. Dafür gebe es einen „besonderen Bedarf“, sagt Pavkovic.

Jobcenterchef Jürgen Peeß, der den Bereich Arbeit und Ausbildung verantwortet, erläuterte die Aktivitäten. So werden man im Rahmen der Fachstelle für Flüchtlinge, die bis September 40 Büros im Cannstatter Carré beziehen wird, gemeinsam mit der Arbeitsagentur eine Servicestelle bilden. Damit komme man dem Wunsch der Betriebe nach, die nur eine Anlaufstelle wollen. Und Mitte Oktober nimmt der Campus Ausbildung seine Arbeit auf. In diesem Konstrukt arbeitet das Jobcenter mit den Wirtschaftskammern, großen Industrieunternehmen und Schulen zusammen. Im Fokus der Aktivitäten, so Peeß, stünden Schüler des sogenannten Vorbereitungsjahrs Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse (VABO). Für diese Gruppe sollen auch rund 800 Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Darunter sind rund 100 der Stadt Stuttgart, die ihre Jobs am Dienstag, 26. Juli, vorstellen wird. Auch die Großbetriebe der Stadt seien bereit, Ausbildungsplätze für Flüchtlinge bereits zu stellen.

Die große Mehrheit der Ratsfraktionen lobte einmal mehr das große Engagement von Bürgern in der Flüchtlingsfrage, rund 3500 sind in 41 Freundeskreisen aktiv. Und insbesondere Stuttgarter Sportvereine leisteten eine bedeutende Integrationsarbeit. Diese hätten insgesamt 230 Regelangebot für Flüchtlinge geöffnet, neue Angebote ins Leben gerufen und 75 Sportpaten ausgebildet. Auch die Kulturszene sei in der Flüchtlingsarbeit sehr engagiert.

Keine Entscheidung zum Personalschlüssel

Insbesondere für die rund 2900 Kinder und Jugendlichen unter den Flüchtlingen sollen weitere Angebote geschaffen werden. Nicht immer gelinge es – etwa in der großen Unterkunft im ehemaligen Bürgerhospital mit etwa 1400 Menschen, darunter 487 Kinder und Jugendliche – den Nachwuchs in Regeleinrichtungen unterzubringen, sondern nur eine Betreuung auf dem Gelände zu ermögliche.

Keine Entscheidung getroffen hat der Sozialausschuss, ob der Personalschlüssel in der kommunalen Unterbringung von eins zu 136 verbessert wird. Das Land hat inzwischen erklärt, in der vorläufigen Unterbringung (also bis zur Anerkennung der Flüchtlinge) einen Stellenschlüssel von eins zu 110 zu finanzieren. Die freien Träger der Einrichtungen fordern, dem nun auch die Personalausstattung in der kommunalen Anschlussunterbringung anzugleichen. Dies schon aus organisatorischen Gründen, da immer mehr Flüchtlinge anerkannt, aber in den Unterkünften bleiben werden, dann aber in kommunaler Obhut. Auch SÖS/Linke-plus hatte dafür plädiert, die SPD für einen Basisschlüssel von eins zu 120. Nach der Sommerpause soll das Thema nochmals aufgerufen werden.

Alle Ratsfraktionen außer der AfD lobten das bisher erreichte. Man müsse das Konzept weiterverfolgen und dürfe sich „von Vorkommnissen wie in Würzburg nicht beeinträchtigen lassen“, sagte Thomas Fuhrmann. Gabriele Nuber-Schöllhammer (Grüne) betonte, man müsse auch Angebot für jene jungen Flüchtlinge schaffen, die keine Schule besuchten und die „keine Bleibeperspektive haben“.  Heinrich Fiechtner (AfD) brachte einmal alle anderen Fraktionen gegen sich auf, als er die Aussprache als „Geschwurbel“ bezeichnete und erklärte, dass die ganze Integration „nicht gelingen wird“. Als er den meisten Flüchtlingen ohnehin die Bildungsbefähigung absprach, warf ihm Luigi Pantisano (SÖS/Linke-plus) „Hetze und rassistische Grütze“ vor.