Stetten bereitet sich auf die Aufnahme von 160 Flüchtlingen Ende 2015 vor. Bei einer Diskussion nennt OB Roland Klenk den Umbau eines Hotels in eine Sammelunterkunft unumkehrbar.

Leinfelden-Echterdingen - Oberbürgermeister Roland Klenk, Landesasylpfarrer Werner Baumgarten und Monika Heilmann vom Arbeitskreis Asyl haben am Montagabend offenbar nicht ohne Erfolg für eine positive Einstellung zu Flüchtlingen geworben. Nach drei Stunden, als sich der Saal des Theophil-Wurm-Gemeindehauses in Stetten leerte, setzten rund 20 Teilnehmer der von der Kirche organisierten Veranstaltung „Flüchtlinge bei uns“ ihren Namen auf eine Liste. Sie bekunden Interesse an einer Mitarbeit bei der Betreuung von 160 Asylbewerbern, die Ende 2015 in das dann zu einer Sammelunterkunft umgebaute Hotel Nödinger Hof einziehen werden.

 

Die Versammlung verlief im Gegensatz zur ersten Veranstaltung im Dezember trotz unterschiedlichster vorgetragener Meinungen in betont sachlicher Atmosphäre – auch wenn nicht alle Antworten zur Zufriedenheit aller Fragesteller ausfielen. Mitverfasser eines kritischen offenen Briefs an OB Klenk zur Flüchtlingsunterbringung (wir berichteten) traten aus der Anonymität heraus. „Der Abend hat sich auf jeden Fall gelohnt“, resümierte Pfarrer Stefan Ruppert, der die von circa 200 Gästen besuchte Veranstaltung moderiert hatte.

Bauantrag liegt schon vor

Deutlich machte dort der Rathauschef, dass auch er die Unterbringung von 160 Flüchtlingen in Stetten als „grenzwertig“ einstufe. Gleichwohl hält er die Entscheidung des Landkreises, das Hotel Nödinger Hof zu kaufen und entsprechend umzubauen, für unumkehrbar: „Der Bauantrag liegt uns seit 19. Dezember vor“, stellte Klenk fest. Der Landkreis habe ihm gegenüber zwischenzeitlich zugesichert, den Umbau so vorzunehmen, dass dort auch Familien unterkommen können. „Ich gehe davon aus, dass wir uns auf diese Zusage verlassen können“, sagte der OB.

Das Stadtoberhaupt stellte das bereits bekannt gegebene Maßnahmenbündel (wir berichteten) detailliert vor. In diesem Zusammenhang nannte Klenk das Renault-Gelände in Echterdingen nach der zum Ende des Jahres ablaufenden Zwischennutzung durch Rewe als möglichen weiteren Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen. Grundsätzlich sei die Stadt aber „in Grundstücksnot“.

Kreisräte sollen auf bessere Betreuung dringen

Er teile die von Besuchern geäußerte Kritik am Betreuungsschlüssel für hauptamtliche Kräfte. „Eine Person für 160 Leute ist ein Unding“, sagte Klenk. Er forderte die Kreisräte auf, beim Landrat auf eine bessere Betreuung zu dringen. „Daran sollten wir nicht sparen.“ Für die Unterbringung von Kindern in Kindergärten oder Schulen „finden wir eine Lösung“, sagte Klenk, der davon ausgeht, dass die Unterkunft „auf einen Schlag belegt wird“. Danach müsse man sich wegen unterschiedlich langer Anerkennungsverfahren wohl auf eine Fluktuation einstellen.

„Flüchtlinge sind keine vorübergehende Episode, die Unterbringung ist eine Daueraufgabe“, stellte der Landesasylpfarrer Werner Baumgarten fest. Weltweit seien zur Zeit 57 Millionen Menschen auf der Flucht, 0,4 Prozent davon würden in Deutschland aufgenommen. Seiner Ansicht nach dürfe „unser Land mit seiner schuldbehafteten Vergangenheit mehr tun“. Er wünsche sich, dass ein Stern über L.-E. aufgehen möge „als Musterbeispiel für die Betreuung“, sagte Baumgarten, der in Harthausen nach 1945 „unter einem Dach mit Flüchtlingen“ aufwuchs.

Begegnungen von gegenseitigem Respekt geprägt

Baumgarten präsentierte sich als Anwalt der Flüchtlinge und betonte die Notwendigkeit der Beschäftigung. Gemeinnützige Arbeit könne beispielsweise vom ersten Tag an angeboten werden. Positiv sei, dass inzwischen die Anerkennung von Diplomen vereinfacht worden sei. Die Frage, welche Kosten ein Asylbewerber verursacht, wies er als „nicht legitim“ zurück.

Monika Heilmann, Sprecherin einer sechsköpfigen Lenkungsgruppe im Arbeitskreis Asyl, fasste erste Erfahrungen aus der Betreuungsarbeit mit 75 Männern in Oberaichen in einem Satz zusammen: „Es ist eine Bereicherung, diese Männer kennen zu lernen.“ Probleme im Umgang oder mit der Sicherheit gebe es nicht. Man begegne sich beiderseits mit Respekt. Viele Männer seien „in ihrer Heimat misshandelt oder gefoltert“ worden. Die Flucht – auch zu Fuß über Mazedonien – habe oft zwei Jahre gedauert. „Das sind Erlebnisse, die einen auf den Boden runterholen.“ Heilmann sagte, der AK Asyl sei „für die ganze Stadt da“. Auch in Stetten würden wie schon in Oberaichen Ehrenamtliche aus allen Stadtteilen mitarbeiten. Sie appellierte an die Versammlung, Hilfe anzubieten. Man müsse den „nicht weltbereisten Männern“ aber auch Zeit einräumen, sich an unsere Kultur zu gewöhnen.