Vor dem großen Flüchtlingsgipfel in Stuttgart dringen Bundesinnenminister Thomas De Maizière (CDU) und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der Aufnahme Hilfesuchender auf mehr Solidarität in der EU.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordern bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen eine solidarischere Lastenverteilung in Europa. De Maizière kündigte zugleich an, dass abgelehnte, aus humanitären Gründen jedoch geduldete Asylbewerber ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten sollen. Ein entsprechender Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Abstimmung zwischen den Ressorts der Bundesregierung.

 

Um die Herausforderungen durch wachsende Flüchtlingszahlen besser zu bewältigen, hat Kretschmann Vertreter von Kommunen, Kreisen, die Landtagsfraktionen, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen für diesen Montag zu einem Spitzentreffen eingeladen. Am Freitag folgt ein Innenministertreffen von Bund und Ländern in Berlin.

Ein Signal für die Flüchtlinge: „Ihr gehört zu uns“

„Wir haben einige Zehntausend abgelehnte Asylbewerber, die wir nicht abschieden können, oder Menschen, die aus anderen humanitären Gründen hier sind“, sagte de Maizière gegenüber dem Magazin „Focus“. „Für diese Menschen, die seit Jahren hier leben, ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst sichern und nicht straffällig geworden sind, werden wir ein dauerhaftes Bleiberecht schaffen, und zwar per Gesetz.“ Nach seiner Aussage soll davon das Signal an die Flüchtlinge ausgehen: „Ihr gehört zu uns.“ Im Grundsatz hatte sich die große Koalition bereits im Koalitionsvertrag auf eine solche Gesetzesnovelle verständigt.

Wie Kretschmann, stellt sich auch de Maizière auf weiter steigende Flüchtlingszahlen ein. Allein im Südwesten werden 2014 rund 26 000 Flüchtlinge erwartet; gegenüber dem Vorjahr wäre das fast eine Verdopplung. Beide Politiker fordern eine fairere Lastenverteilung auf europäischer Ebene. „Es beteiligen sich nur zehn EU-Staaten an der Aufnahme“, kritisierte de Maizière. Dass zum Beispiel Schweden und Deutschland insgesamt die Hälfte der in Europa ankommenden Asylbewerber aufnehmen würden, sei „nicht in Ordnung“.

Kretschmann: Wir waren darauf nicht vorbereitet

„Es ist das Gebot der Stunde, die Flüchtlinge in Europa sinnhafter und solidarischer zu verteilen – etwa nach der Steuerkraft. Sonst können wir diese große Herausforderung nicht bewältigen“, sagte Kretschmann der „Welt am Sonntag“. Deutschland sei zwar nicht in einer Krise, „aber auch nicht weit weg davon“. Dass die Bundesländer Probleme bei der Unterbringung von Asylsuchenden haben, führt der Stuttgarter Regierungschef auf zurückgebaute Kapazitäten zurück: „Wir sind nicht überfordert, aber gefordert, weil wir darauf nicht vorbereitet waren.“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat mehr Personal für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefordert. Dort stauen sich nach seinen Angaben mittlerweile 120 000 Anträge. Ihre Bearbeitung dauere oft länger als ein Jahr.