Der Protest von Anwohnern gegen das geplante Flüchtlingsheim hat auf den Fildern eine Welle der Empörung ausgelöst.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filderstadt - Keine Frage: Mit so viel Gegenwind aus der Bevölkerung haben die Anwohner aus Harthausen nicht gerechnet. Der in der ersten Aufregung formulierte Protest gegen das vor ihrer Haustür geplante Flüchtlingsheim hat auf den Fildern echte Empörung ausgelöst. Eine Flut von Leserbriefen zeugt vom Bedürfnis vieler Bürger, sich für einen menschlichen Umgang mit Asylbewerbern zu Wort zu melden. Das ist gut und richtig so. Flüchtlinge, die vor Krieg und Gewalt, Not und Unterdrückung aus ihrer Heimat geflohen sind, brauchen Schutz und Hilfe – und keine Gesellschaft, die sie als mutmaßliche Drogendealer und potenzielle Vergewaltiger vorab unter Verdacht stellt.

 

Standortsuche kam nicht nur in Filderstadt bisher zu kurz

Dass sie mit der gefährlichen Mischung aus diffusen Ängsten, dumpfer Polemik und kaum verhohlenen Vorurteilen weit übers Ziel hinaus geschossen sind, dürfte freilich auch den Nachbarn der geplanten Gemeinschaftsunterkunft längst klar sein. Inzwischen sind im Umfeld der Robert-Bosch-Straße glücklicherweise auch ganz andere Töne zu hören, wird nach Ideen für eine gelungene Integration und Chancen für eine gute Nachbarschaft gefragt. Und immerhin haben die Anwohner eine Debatte ins Rollen gebracht, die nicht nur in Filderstadt bisher schlicht zu kurz kam.

Denn der in Harthausen laut gewordene Protest ist nicht nur ein Zeichen, dass sich die Bürger mit ihren Sorgen allein gelassen fühlen. Er macht auch deutlich, dass die Politik die Aufgaben bei der Flüchtlingsunterbringung verschlafen hat. Obwohl seit Jahren bekannt ist, dass die Asylbewerberzahlen stark steigen, wird auf den letzten Drücker nach Unterkünften gesucht. Das Rathaus verschanzt sich hinter einem Landkreis, der bis Jahresende 3900 Menschen ein Dach über dem Kopf verschaffen muss und deshalb verständlicherweise nach großen Lösungen schielt. Ein eigenes Konzept, wo Flüchtlinge untergebracht werden können, liegt in Filderstadt nicht auf dem Tisch. Und eine städtische Wohnbautochter, die sich auf einem leer gefegten Markt um bezahlbare Zimmer kümmern könnte, existiert nur als Gedankenspiel.

Eine städtische Wohnbau-Tochter existiert bisher nicht

Die Frage, ob ein Standort geeignet ist, müssen Anwohner aber stellen dürfen, ohne sich gleich dem Vorwurf auszusetzen, fremdenfeindlich zu sein. Selbst in der Flüchtlingsarbeit aktive Helfer geben zu, dass kleine Unterkünfte oft die bessere Lösung darstellen. Bezeichnenderweise hat in Leinfelden-Echterdingen jüngst die Filderpiratin Claudia Moosmann, über Rassismus-Vorwürfe eigentlich erhaben, ihr Rathaus scharf kritisiert. Die Aufregung um die Unterbringung von 160 Flüchtlingen im Hotel Nödinger Hof, so ihre Lesart, hätte sich die Stadt sparen können, wenn sich die Verwaltung rechtzeitig um besser geeignete Standorte bemüht hätte.

Wer Probleme aussitzt und darauf hofft, dass sich die Sorgen der Bürger irgendwann von selbst erledigen, überlässt das Feld nur Stimmungsmachern, die jetzt mit kuriosen Vorschlägen aufwarten. Was von Ideen wie „Aufstockung der Polizeikräfte“ oder „Kauf der Bauruine“ zu halten ist, möge jeder Leser selbst für sich entscheiden.