Die Flüchtlinge sitzen zwischen allen Stühlen, haben alles verloren und gewinnen nun die Erkenntnis, dass sie für viele nichts sind außer eine Last. Das ist auch in Birkach, Sillenbuch und Degerloch so. Unser Autor wirbt in seinem Kommentar um Engagement.

Filder - Im vergangenen Oktober bildeten die Degerlocher Schlangen auf der Straße, um sich zu informieren, wie sie Flüchtlinge unterstützen können. Die Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold hatte ins Bezirksrathaus geladen, um einen Freundeskreis für Asylbewerber ins Leben zu rufen. Gut ein halbes Jahr später gelang es dagegen nicht, neue Ehrenamtliche zu gewinnen, die sich um die Bewohner der Unterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße kümmern wollten. Ähnliches geschieht auch in anderen Bezirken. Etwa in Birkach, wo sich niemand findet, der mit Flüchtlingen schwimmen gehen will.

 

Der Blick in die Nachrichten legt nahe, dass das ganze Land von Müdigkeit erfasst ist, wenn es um Flüchtlinge geht. Was ist geschehen? Nichts weniger als ein Ankommen in der Realität. Langfristiges Engagement im Ehrenamt wollen sich immer weniger Menschen zumuten. Das war schon vor der Flüchtlingskrise so und bekümmerte zum Beispiel die Sportvereine. Dann kam der September 2015. Die Kanzlerin sagte einen Satz, den bald keiner mehr hören wollte – heute wohl nicht einmal sie selbst – und Millionen wollten sich engagieren. Wie viel von dieser Bereitschaft tiefer Hilfsbereitschaft geschuldet war, wie viel nur flüchtigen Emotionen, zeigt sich nun, da sich genervte Gleichgültigkeit allenthalben breitmacht. Ein Jahr, nachdem die Deutschen Wolfgang Schäuble zufolge ihr Rendezvous mit der Globalisierung erlebten, träumen viele davon, dass alles wieder so wird, wie es in einer vernetzten Welt nicht mehr sein kann. Die Menschen, denen im September 2015 mir großer Herzlichkeit begegnet wurde, werden die Teddybären nicht bald wieder einpacken, um etwa in die Kriegshölle Syrien zurückzukehren.

Der Wunsch, sich endlich wieder mit eigenen Sorgen zu beschäftigen, ändert nichts daran, dass die Flüchtlinge zumindest für eine sehr lange Zeit mit uns leben werden. Die Konsequenz müsste ein nachhaltiges und ernsthaftes Bemühen sein, den Ankommenden einen Weg in die Gesellschaft zu weisen. Sie sitzen zwischen allen Stühlen, haben alles verloren und gewinnen nun die Erkenntnis, dass sie für viele nichts sind außer eine Last. Anordnen lässt sich nicht, was in unserem Interesse ist: Zu verhindern, dass die Flüchtlinge sich in eine Community zurückziehen, die sich abgelehnt fühlt. Die Gesellschaft und damit jeder Einzelne hat es letztlich in der Hand, ob wir es, wie die Bundeskanzlerin versprach, schaffen werden oder nicht.