Er geht als Einziger unter 150 Asylbewerbern voll arbeiten. Aber wie war es möglich, dass ein Flüchtling aus der Unterkunft an der Zazenhäuser Straße einen festen Job hat?

Zuffenhausen - Kamen ihr die dunkelhäutigen Männer aus der Asylunterkunft an der Zazenhäuser Straße entgegen, wechselte Cornelia Kamp die Straßenseite. Die Fremden machten ihr Angst. Als eines Tages einer von ihnen, groß, stark, dunkel, in ihrem winzigen Büro steht und nach einem Job fragt, ist Kamp für einen Moment sprachlos. Doch sie weiß sofort: „Er ist ein Mensch, dem muss man einfach helfen.“ Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt, ist, was mit dieser Entscheidung auf sie zukommt.

 

Cornelia Kamp, bald 55 Jahre alt, rosa T-Shirt und Jeans, sitzt selbstbewusst in ihrem Stuhl. Auf ihrem Schreibtisch, der gut ein Drittel ihres Acht-Quadratmeter-Reiches einnimmt, liegen die unspektakulären Dinge, die man als Personalsachbearbeiterin so braucht. Locher, Stifte, Ablagen, die verraten, dass sie für Palmer Landschafts- und Gartenbau sowie deren Schlosserei in Zuffenhausen arbeitet – und viele Telefonnummern. Die hat Kamp in den Wochen und Monaten angesammelt, in denen sie hartnäckig wie ein Kaugummi an den Fersen der Behörden klebte und versuchte, dem jungen Asylbewerber aus Kamerun eine Arbeitserlaubnis zu besorgen. Hätte sie nur Briefe geschrieben und Formulare verschickt, sagt sie, würde Michael* wohl immer noch nicht als Hilfskraft in Vollzeit bei Palmer arbeiten.

Michael, 24 Jahre alt und gut 1,90 Meter groß, mit der Statur eines jungen Mannes, der seit Jahren Rugby spielt. Sein Händedruck ist zart, sein Ton zurückhaltend aber bestimmt. Doch er kann anpacken, sagen Kamp und der Chef. Bei den Kollegen sei er beliebt, nicht nur, weil er gerne die schweren Maschinen bedient, die den Älteren aufs Kreuz gehen. „Wenn er morgens rein kommt, scheint die Sonne“, sagt Kamp und lächelt zu Michael herüber, den ein Kollege von der Baustelle extra für das Gespräch hergefahren hat.

Er ist der Einzige unter 150 Flüchtlingen, der arbeiten geht

Seine Fröhlichkeit ist ein Charakterzug der für Kamp durchaus erwähnenswert ist, wohnt ihr Schützling doch in der Flüchtlingsunterkunft an der Zazenhäuser Straße, gemeinsam mit 150 Menschen aus aller Herren Länder. Er ist der einzige dort, der arbeiten geht. „Ich kann oft nicht schlafen, weil es so laut ist“, sagt er, der sein Zimmer zunächst mit drei, jetzt mit zwei anderen Flüchtlingen teilen muss. Die eintönigen Tage ertränken viele in langen Nächten. Die Zustände in der Asylunterkunft seien ein Problem, sagt er. Warum es für ihn, der die 200 Euro Miete in der Unterkunft selbst bezahlt und vom deutschen Staat kein Geld erhält, nicht möglich ist, ein Einzelzimmer zu erhalten, verstehen Kamp und er nicht. Und doch steht er jeden Tag gut gelaunt und pünktlich um halb Sieben in der Firma. Keine Selbstverständlichkeit, findet Kamp.

An Palmer geraten ist er eigentlich ganz zufällig. „Ich habe bei bestimmt 35 Firmen nach einem Job gefragt“, sagt er. Als er eines Tages im vergangenen September bei Palmer steht, beschließt der Chef, eine Hilfsstelle für ihn zu schaffen. „Er hat damit keinem Deutschen den Job weggenommen, den es gab die Stelle nicht“, erklärt Kamp. Alles Übrige, so dachte die erfahrene Personalerin damals, könne ja nicht so kompliziert sein.

Kamp erinnert Behörden an Fristen

Es gibt den korrekten Weg, einen Asylbewerber in Lohn und Brot zu bringen und es gibt Cornelia Kamps Weg. Ihrer führte auch ans Ziel, denn wer kennt schon den korrekten bürokratischen Weg bevor er ihn einmal gehen muss. „Ich habe zunächst jedes Formular ausgefüllt, das ich in die Hände bekam und diese an alle Stellen, die mir einfielen, geschickt“, sagt sie pragmatisch.

Tatsächlich muss man sich an die Ausländerbehörde in der Stuttgarter Eberhardstraße wenden, die die Anfrage an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) nach Duisburg schickt, dann wieder zurück an die Ausländerbehörde nach Stuttgart. „Wenn der Antrag genehmigt wird, gibt es in Duisburg den Stempel drauf und der Betroffene muss innerhalb von 48 Stunden Bescheid bekommen“, erklärt sie. Dass das im Falle von Michael nicht ganz reibungslos gelaufen sei und Kamp oftmals zum Hörer greifen musste, um Behörden an Fristen zu erinnern, sei zum Mäusemelken.

Er arbeitet, liegt dem Bürger nicht auf der Tasche

„Das hat so viel Nerven gekostet. Manchmal saß ich in der Wohnung und dachte: Ich kann nicht mehr.“ Ihre Stimme wird für einen Moment ernst. Doch Michael kam wochenlang fast täglich bei ihr im Büro vorbei, um sich nach dem Fortschritt zu erkundigen. Da konnte sie doch nicht aufgeben. Außerdem sei sie jetzt Spezialistin, sagt Kamp und lacht.

Wie es für ihn weiter geht, er, der Biochemie studiert, sich aber an den schroffen Ton auf der Baustelle gewöhnt hat, der jetzt Wörter wie Schubkarre und Wasserwaage kennt, ist noch nicht klar. „Ich hoffe, er darf bleiben und seine Arbeitserlaubnis wird verlängert“, sagt Kamp. Kamp wünscht sich, dass Firmen mehr Mut zeigen, auch wenn man Behörden hinterher telefonieren müsse, es lohne sich. Schließlich liege jeder, der arbeitet, dem Bürger nicht auf der Tasche.

*Name geändert.