Die Kritik am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist stark, die Verfahren dauern fast ein halbes Jahr. Doch Kanzlerin Merkel zeigt Verständnis für die Beamten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Auf sieben Seiten haben die führenden Politiker der großen Koalition Anfang der Woche aufgelistet, was zu tun ist, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Priorität habe „die Beschleunigung der Asylverfahren“, heißt es dort. Wo es klemmt, hat die Kanzlerin am Donnerstag höchstpersönlich inspiziert. Sie besuchte die Berliner Filiale des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

 

In der Behörde stapelt sich gerade eine Viertelmillion unbearbeiteter Asylanträge. Anfang des Jahres waren es noch knapp 180 000. Im ersten Halbjahr 2015 wurden 179 000 neue Asylanträge gestellt, aber nur 114 000 Verfahren entschieden. Immerhin ist es gelungen, die Verfahrensdauer binnen Jahresfrist von durchschnittlich 7,1 auf jetzt 5,3 Monate zu verkürzen. Zielvorgabe sind eigentlich drei Monate. Noch besser wäre es, wenn die Fälle noch schneller erledigt werden könnten. Auf diese Weise ließe sich die Integration der dann anerkannten Asylbewerber beschleunigen – oder die Heimreise der abgelehnten Bewerber. So oder so könnte der Staat Geld sparen.

Länder bieten pensionierte Beamte an

Das Bundesamt mit dem Hauptsitz in Nürnberg ist hoffnungslos unterbesetzt. Im Moment sind dort 3000 Leute beschäftigt, 550 bearbeiten Asylanträge. Im laufenden Jahr soll die Belegschaft um 1000 Stellen aufgestockt werden, im kommenden noch einmal in gleicher Höhe. Eigentlich wären 9000 Stellen erforderlich, um nicht in der Flut der Asylanträge unterzugehen. Die Zahl soll Behördenchef Manfred Schmidt hinter verschlossenen Türen bei einem Klausurtreffen der SPD-Bundestagsfraktion genannt haben.

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, stellvertretende Vorsitzende der SPD, hatte sich diese Woche massiv über die Defizite der Behörde beschwert. „Das ist alles suboptimal“, lautet ihr Urteil. „Kriegen wir beschleunigten Verfahren, haben wir eine große Entlastung“, sagt sie, „das ist der Flaschenhals, und der muss weg.“ Krafts niedersächsischer Kollegen Stephan Weil (ebenfalls SPD) beklagt sich, der Bund müsse „endlich seine Hausaufgaben machen im Hinblick auf die Beschleunigung der Asylverfahren“. Er fordert 4000 statt 2000 neue Mitarbeiter für die überlastete Asylbehörde. Andere Länder haben schon angeboten, pensionierte Beamte zu reaktivieren, um sie an das Nürnberger Amt auszuleihen.

Merkel äußert Verständnis für den Dauerstress im Amt

Die Kanzlerin nimmt die Asylbeamten in Schutz. Nach ihrem Besuch in der Spandauer Dependance bekundet sie großes Verständnis für deren Dauerstress. „Angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen, die in den letzten Tagen gekommen sind“, so Merkel, „ist es verständlich, dass diese Bearbeitung nicht sofort erfolgen kann.“ Die Kanzlerin würdigt die „ganz besonderen, schwierigen Bedingungen“, unter denen die Mitarbeiter der kritisierten Behörde zu arbeiten hätten. Ihre Eindrücke fasst sie so zusammen: „Ich konnte mich davon überzeugen, dass hier sehr akkurat gearbeitet wird, dass auch jedes Schicksal ernst genommen wird und dass man natürlich versucht, jeden Antrag schnell zu bearbeiten.“ Zuvor hatte sich Regierungssprecher Steffen Seibert ähnlich geäußert: Auf das Nürnberger Amt, sagt er, sei „ein Ausmaß an Arbeit zugestürmt, das man sicherlich nicht absehen konnte vor einigen Monaten“. Jeder Mitarbeiter werde „vor außergewöhnliche Herausforderungen gestellt“. Amtschef Manfred Schmidt will schon „im Oktober zu einer erheblichen Entlastung beitragen können“. Schmidt räumt aber eine gewisse Mitschuld an den zähen Arbeitsprozessen ein. Er sagt: „Wir haben das unterschätzt.“