Der Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei ist ein Jahr alt. Die Route über die Ägäis ist fast dicht. Es gibt aber erste Anzeichen, dass sich das ändern könnte. Davon wäre Griechenland unmittelbar betroffen. Außenminister Gabriel sichert dem Land Unterstützung zu.

Athen - Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat sich besorgt über die steigenden Flüchtlingszahlen in der Ägäis gezeigt und Griechenland weitere Hilfen in Aussicht gestellt. „Wir sind auch bereit, mehr zu tun“, sagte er am Donnerstag bei seinem Antrittsbesuch in Athen.

 

In den vergangenen Tagen waren die Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste wie Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos wieder leicht gestiegen. Die griechischen Behörden führen das auf das gute Wetter zurück. Es gibt aber auch Befürchtungen, dass die Türkei wegen der aktuellen Krise in den Beziehungen zur EU das Grenzregime wieder lockern könnte.

Gabriel versuchte nach seinem Treffen mit dem griechischen Außenminister Nikos Kotzias zu beschwichtigen: „Wir glauben, dass das Interesse der Türkei an der Verabredung durchaus groß ist.“

Flüchtlingspakt von großer Bedeutung

Griechenland ist das EU-Land, für das der vor einem Jahr abgeschlossene Flüchtlingspakt mit der Türkei die größte Bedeutung hat. Über die Ägäis waren noch Anfang vergangenen Jahres jeden Monat Zehntausende Flüchtlinge nach Griechenland gekommen. In diesem Jahr waren es bis Mitte März insgesamt nur noch 3000.

Kotzias hatte vor seinem Gespräch mit Gabriel in einem „Welt“-Interview Alarm geschlagen. „Eine neue Flüchtlingswelle in diesem Sommer würde uns überfordern. Griechenland ist am äußersten Limit seiner Möglichkeiten“, sagte er. „Die meisten europäischen Länder nehmen uns viel zu wenige Flüchtlinge ab und die Unterstützung bei der Bearbeitung der Asylverfahren ist nur ein Bruchteil dessen, was versprochen wurde.“

Gabriel war am Mittwochabend zu seinem Antrittsbesuch in Athen eingetroffen und sprach auch mit Ministerpräsident Alexis Tsipras und Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos. Er zollte der griechischen Regierung Respekt für ihre Reformbemühungen zur Bewältigung der Schuldenkrise. „Verglichen mit Griechenland waren diese Reformen, die wir gemacht haben, vielleicht ein lauer Sommerwind“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die in seiner Partei hoch umstrittene Agenda 2010, aus der Hartz IV hervorging.

Seit knapp sieben Jahren am Tropf der Gläubiger

Gabriel forderte Griechenland dazu auf, die Verhandlungen mit den Gläubigern über neue Reformschritte im April abzuschließen. Die Diskussion über einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone gehöre endgültig der Vergangenheit an, sagte er. „Europa wird nicht stärker, indem man sich amputiert.“

Griechenland hängt mittlerweile seit knapp sieben Jahren am Tropf der Gläubiger, die tiefgreifende Sparmaßnahmen fordern. Die Griechen haben seit Ausbruch der Finanzkrise etwa ein Viertel ihres Einkommens verloren.

Spekulationen über einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erteilte Gabriel eine Absage. Er könne sich vorstellen, dass eine solche Debatte der Kampagne des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für seine Verfassungsreform hilft, sagte er. „Das ist so eine Form von Rigorosität, wo ich mich immer frage: Was kommt eigentlich am Tag danach.“ Viel sinnvoller sei es, nach neuen Gesprächsformaten mit der Türkei zu suchen. In den Beitrittsverhandlungen werden derzeit keine neuen Kapitel eröffnet. Sie laufen formal aber weiter.