Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat seinen Parteifreund Boris Palmer in der Asyldebatte zurechtgewiesen. Der Tübinger Oberbürgermeister hatte zuvor die Flüchtlingspolitik Kretschmanns kritisiert.

Stuttgart - In der innerparteilichen Kontroverse um die Flüchtlingspolitik hat Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Machtwort gesprochen. „Man kann keine Politik mit Überschriften machen“, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart mit Blick auf seinen Parteifreund Boris Palmer. „Er äußert sich in einem Bereich, auf den er so gut wie keinen Einfluss hat.“ Auch die Grüne Jugend im Südwesten wies er wegen ihrer Kritik an geplanten raschen und größeren Abschiebungen zurecht und unterstellte „jugendlichen Überschwang“.

 

Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen und Kretschmanns ehemaliger Kronprinz, hatte in einem Beitrag in der „Welt“ geschrieben, eine Deckelung der Zugangszahlen sei unumgänglich: „Unter den jetzigen Bedingungen, wo täglich 10.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen, schaffen wir das nicht.“ Man könne aber nicht einfach solche Zahlen durchspielen, erwiderte Kretschmann. „Da ist jetzt mit dem Boris Palmer der Mathematiker durchgegangen.“ Palmers Warnung setzte Kretschmann entgegen: „Wir müssen das irgendwie schaffen.“

Kretschmann: Zeltstädte akzeptieren

Wenn die Zahl der Flüchtlinge so hoch bleibe, müssten eventuell Standards der Unterbringung infrage gestellt werden, sagte Kretschmann. „Das sind aber andere Debatten, als zu sagen, man schafft es nicht.“ So müsse man dann auch Zeltstädte akzeptieren, korrigierte Kretschmann eigene frühere Aussagen. Schon mehrere Grünen-Politiker hatten zuvor Palmers Aussagen kritisiert.

Kretschmann befürchtete, die Debatte könne den Eindruck erwecken, die Politik bliebe tatenlos - das sei aber nicht der Fall. Das von Bund und Ländern beschlossene Asylpaket sei erst vor wenigen Tage in Kraft getreten und müsse nun seine Wirkung entfalten. „Es ist nicht besonders sinnhaft, Debatten zu führen, die nur die Unsicherheit der Bevölkerung erhöhen.“ Dennoch zeigte Kretschmann Verständnis für Beschwerden aus den Kommunen „am Schluss der politischen Entscheidungsleiter“. Die Kritik aus Tübingen gehe aber zu weit: „Palmer ist ein aufrechter Grüner und ich schätze ihn, aber da hat er sich etwas verrannt.“

„Wir schaffen es - aber nicht allein“

Auch die Grüne Jugend bekam ihr Fett weg. Landessprecherin Lena Schwelling hatte „Rabatz„ gegen eine härtere Linie von Innenminister Reinhold Gall (SPD) bei den Abschiebungen angekündigt. Davon halte er sehr wenig, schrieb der Regierungschef der Grünen Jugendorganisation ins Stammbuch. Widerstand in Aussicht zu stellen, wenn das Konzept des SPD-Mannes zur Umsetzung des Asylpakets noch gar nicht vorliege, finde er „voreilig, um es mal vorsichtig auszudrücken“. Erstmal müssten die Pläne bekannt sein, dann könne man urteilen. „Das kann man auch von Menschen erwarten, die in jugendlichem Überschwang handeln.“

In der Flüchtlingspolitik seien alle europäischen Länder gefordert. „Wir schaffen es - aber nicht allein“, sagte Kretschmann. In Deutschland stünden die Ministerpräsidenten geschlossen hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Kretschmann lobte sie als erfahrene und erprobte Krisenmanagerin. „Alle Verantwortlichen in Deutschland leisten ihren Beitrag, dass wir der Krise Herr werden.“ Der Zusammenhalt der etablierten Parteien habe auch dazu beigetragen, dass die rechtskonservative AfD geringere Zuwächse verzeichne als ähnliche Parteien in anderen europäischen Staaten. Dennoch sorge ihn der Zuspruch: „Die AfD beschwört Ängste und löst keine Probleme.“