Die Eltern der Haldenschule haben schon einmal mit ihrem Protest die Belegung der Schulturnhalle abgewendet. Jetzt werden aber dennoch 60 bis 70 Flüchtlinge dort untergebracht. Es fehlen Alternativen.

Kernen-Rommelshausen - Das Landratsamt drängt die Gemeinde Kernen auf Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Etwa 1000 Menschen kommen derzeit im Monat im Rems-Murr-Kreis an, zugewiesen zur Erstunterbringung. Wohnungen oder Heime gibt es für die aus größter Not zugewanderten Menschen in der Kürze der Zeit noch nicht. Sie müssen für ein paar Monate behelfsmäßig, häufig in Turnhallen, untergebracht werden. Auch in der Gemeinde Kernen wird dies so sein: In der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend haben sich alle Redner dafür ausgesprochen, nun doch die Turnhalle der Haldenschule dem Landkreis als Unterkunft anzubieten.

 

Bürgermeister findet kurzfristig keine Alternative

Die erneute Kehrtwendung dürfte zahlreiche Eltern von Kindern, welche die Grundschule besuchen, verärgern. Denn auf ihren Protest hin hatten Bürgermeister Stefan Altenberger und die Landkreisverwaltung vor kurzem den Plan verschoben, die hauptsächlich dem Schulsport, teilweise auch dem Vereinssport gewidmete Halle zu sperren, um dort Betten und Spinde aufzustellen, damit die den Bürgerkriegen entronnenen Menschen im bevorstehenden Winter ein Dach über dem Kopf haben. Eine bessere Alternative hat der Bürgermeister aber seither nicht gefunden.

Bürgermeister will Ligabetrieb der Vereine nicht stören

Abgelehnt haben die beiden Sportvereine Spvgg Rommelshausen und TV Stetten, ihre vereinseigenen Hallen zur Verfügung zu stellen. Altenberger rät andererseits dringend davon ab, eine der beiden großen Sporthallen im Gemeindebesitz zu belegen. In beiden Fällen wäre es zu starken Verwerfungen im Vereinssport gekommen: Altenberger spricht von „brutalen Auswirkungen“: Der Ligabetrieb käme in mancher Sportart zum Erliegen. Auch würde der Landkreis die Rumold-Sporthalle oder die Karl-Mauch-Sporthalle ebenfalls voll belegen. Damit würden gleich 300 Menschen zugewiesen.

Überschaubare Größe der neuen Unterkunft

Daher anerkennt UFW-Gemeinderat Martin Weiß: „Die Belegung der Haldenschule ist noch eine überschaubare Zahl.“ Altenberger, selbst Vater zweier Kinder, ist auch der Meinung, dass im Grundschulbereich am ehesten für eine Übergangszeit von zwei oder drei Monaten – davon ist trotz aller Skepsis die Rede – auf Sport verzichtet werden kann: „Die haben so viel Zeit, sich zu bewegen, das wäre nicht so dramatisch.“ In dieser Zeit, so lautet die Hoffnung, wird der Engpass aufgelöst, hat die Landkreisverwaltung Zeit, andere Gebäude für die Aufnahme von Flüchtlingen bereitzustellen und herzurichten, so dass der Sportunterricht wieder anlaufen kann. Der CDU-Gemeinderat Helmut Heissenberger äußert Verständnis: „Wir haben den Zwang, Wohnraum bereitzustellen.“ Wie die anderen Redner auch ruft auch Bettina Futschik (OGL) dazu auf, in beiden Ortsteilen mit einer kleinen Halle anzufangen. In Stetten wäre dies die Gymnastikhalle der Karl-Mauch-Schule, falls benötigt, als nächstes.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Peter Kirgis ist selbst Beamter im Landratsamt und bekommt die Nöte der Kollegen angesichts der Zuweisungszahlen ganz nah mit. Er befürchtet: „Das wird sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir haben aber abzuwägen zwischen Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, und Menschen, die keinen Schulsport haben werden.“

Hangweide und Gemeindehäuser kommen nicht in Betracht

Verhandlungen laufen auch ab, um das Wohngebiet Hangweide für Flüchtlinge umzuwidmen. Die Diakonie Stetten will ihr Areal weitgehend aufgeben, weil die Häuser den Anforderungen der Behindertenhilfe nicht mehr entsprechen. Aber um dieses Areal gibt es intensive Verhandlungen: Offen ist, was mit den maroden Versorgungsleitungen passiert, wer das Grundstück kauft, überplant und neu bebaut: „Bevor die Verhältnisse dort geklärt sind, bekomme ich kein grünes Licht“, sagt der Bürgermeister.

Auch Gemeindehäuser der Kirchengemeinden kommen kaum in Betracht. Dort fehlt es zumeist an einer Grundinfrastruktur, an genügend Toiletten und Duschen. „Teilweise gibt es auch brandschutzrechtliche Hemmnisse“, berichtet Altenberger.

Betreuung durch Sozialarbeiter und Ehrenamtliche

Derzeit gibt es in Kernen im Bereich der Asylbewerber- und Flüchtlingsunterbringung noch überschaubare Verhältnisse: „Wir haben 60 Menschen in der Erstunterbringung, etwa 30 in der Anschlussunterbringung“, erläutert der Schultes.

Die weiteren Menschen mit befristetem Aufenthaltsrecht werden zwar vorrangig von Sozialarbeitern des Landratsamts betreut, doch setzt Altenberger auch auf ehrenamtliche Helfer: „Ich spüre eine große Bereitschaft der Bevölkerung, sich zu engagieren.“ Letztlich wird dies auch nötig sein: Der Markt an Sozialarbeitern – auch die Gemeinde Kernen hat zusätzlich zu der bestehenden hauptamtlichen Betreuungskraft eine halbe Stelle ausgeschrieben – ist leer gefegt. „Ich kann niemand eine absolute Sicherheit geben, dass die Unterbringung ganz reibungslos laufen wird. Nur dann, wenn genügend Menschen mithelfen“, sagt der Bürgermeister.

Die erneute Diskussion kommt ins Rollen, weil Altenberger „nicht mehr allein den Kopf hinhalten will für eine Halle. Dies entscheiden wir jetzt im Gemeinderat.“