Die Termin- und Finanzprobleme beim Berliner Flughafen waren absehbar – weshalb nicht die Verschiebung der Eröffnung der Skandal ist, sondern die Vernebelung der Vorgänge hinter den Kulissen, sagt ein beteiligter Anwalt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Beim Berliner Flughafen verdichten sich Hinweise auf schwere Vergabefehler. Die angesehene Berliner Großkanzlei Leinemann Partner kritisiert Rechtsverstöße bei der Auftragsvergabe, weil Generalplanung und Bauüberwachung beim Terminal in eine Hand gelegt wurden. Eine solche Doppelbeauftragung sei unzulässig, sagte Seniorpartner Ralf Leinemann. Das habe das Oberlandesgericht Brandenburg schon beim Streit über die Bauüberwachung bei den Start- und Landebahnen rechtskräftig entschieden.

 

Die Kanzlei gilt als eine der führenden Adressen im Bau- und Vergaberecht und war auch mit dem größten ostdeutschen Infrastrukturprojekt mehrfach eng befasst. 2006 vertrat Leinemann einige Ingenieurbüros, die sich um die Bauüberwachung der Flugbetriebsflächen beworben hatten. Die Flughafengesellschaft wollte damals auch diesen Auftrag an den Generalplaner geben, die Planungsgemeinschaft Berlin Brandenburg International.

Viele Renommierprojekte

Diese PG BBI besteht unter anderem aus den renommierten Architektenbüros GMP und JSK. Stararchitekt Meinhard von Gerkan hat mit seinem Büro GMP bereits den Flughafen Tegel und der Berliner Hauptbahnhof geplant, sein Name steht weltweit für viele Renommierprojekte. Die PG BBI wird nun mit dafür verantwortlich gemacht, dass sich der für Anfang Juni geplante Start des neuen Hauptstadtflughafens um weitere neun Monate bis März 2013 verzögern wird und so viele Probleme und hohe Mehrkosten entstehen. Der Großauftrag wurde PG BBI deshalb entzogen.

Durch das Berliner Debakel gewinnen die früheren Vorgänge neue Brisanz. Bei den Start- und Landebahnen nämlich entschied das OLG Brandenburg schon im Januar 2007 rechtskräftig, dass PG BBI als Generalplaner nicht auch noch die eigenen Arbeiten überwachen könne. Hier sei ein neutraler Kontrolleur nötig. Die Kanzlei Leinemann und die Ingenieurbüros hatten damals mit ihrer Vergabebeschwerde Erfolg (Aktenzeichen: Verg W 7/06).

Trotzdem erhielt Generalplaner PG BBI beim Terminalbau erneut auch den Auftrag zur Bauüberwachung. Die Flughafengesellschaft habe damit gegen das ihr bekannte OLG-Urteil verstoßen und zudem eine Interessenkollision geschaffen, die sich „im Ergebnis als nicht sachgerecht und unvorteilhaft erwiesen hat“, kritisiert Leinemann. Rätselhaft sei, warum im Aufsichtsrat niemand gegen die rechtswidrige Vergabepraxis Einspruch eingelegt habe. Das Kontrollgremium wird von Berlins Regierungschef Klaus Wowereit geleitet, Mitglieder sind auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und ein Staatssekretär aus dem Bundesverkehrsministerium. Der Fachanwalt macht die Politik für die Fehlentwicklungen verantwortlich. Die derzeitigen Erklärungen und Ausflüchte seien „wenig glaubwürdig“. Nicht die Verschiebung der Flughafeneröffnung sei der Skandal, sondern die jahrelange Vernebelung der Tatsachen. Bereits 2007 sei zu erkennen gewesen, dass beim inzwischen auf mindestens drei Milliarden Euro veranschlagten Bau des Hauptstadtflughafens weder der Zeit- noch der Finanzplan zu schaffen seien.

Kosten sparen

Die wahren Gründe für die massiven Verzögerungen liegen für Leinemann im 2007 mit falscher Begründung aufgehobenen Ausschreibungsverfahren. Damals hatte die Flughafengesellschaft entschieden, die bereits abgeschlossene Ausschreibung des Terminalbaus für einen Generalunternehmer aufzuheben und die Gewerke einzeln zu vergeben. Damit wollte man Kosten sparen, denn die Bewerber hatten mindestens eine Milliarde Euro Baukosten veranschlagt, das Budget sah aber nur 650 Millionen Euro vor.

Mittlerweile wird aber doch mit Kosten von mehr als einer Milliarde Euro allein für den Terminal gerechnet. Die Abkehr von den Generalunternehmern sei ein schwerer Fehler der Flughafengesellschaft gewesen, kritisiert Leinemann, der damals den Baukonzern Hochtief vor Gericht vertreten hatte. Durch die Einzelvergaben habe die Flughafengesellschaft mindestens ein Jahr Zeit verloren und letztlich keine Kostenvorteile erzielt. Schon damals habe sich die Fachwelt gefragt, wie Berlin einen ähnlich großen Terminal, der beim Flughafen München 1,2 Milliarden Euro gekostet hat, für kaum mehr als den halben Preis errichten wolle. Der Experte schließt daher nicht aus, dass der Öffentlichkeit noch weitere Überraschungen präsentiert werden.