Der Europäische Gerichtshof hat die deutschen Verordnungen zum Fluglärm bestätigt und die Klage der Schweiz abgewiesen. Derweil ratifizierte der eidgenössische Ständerat den Staatsvertrag.

Waldshut/Konstanz - In der Schweiz hat das umstrittene Luftlärmabkommen mit Deutschland die erste parlamentarische Hürde genommen. Mit großer Mehrheit von 40:2 Stimmen passierte der Fluglärmstaatsvertrag trotz inhaltlicher Bedenken den Ständerat in Bern, ein dem deutschen Bundesrat vergleichbares Länderparlament. Die Entscheidung der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments darf zumindest für die Eidgenossenschaft als wegweisend gelten, da der Ständerat 2001 den damaligen Staatsvertrag mehrheitlich abgelehnt und die spätere Ablehnung eingeleitet hatte.

 

Trotz des positiven Votums sind die Vorbehalte in der Schweiz nach wie vor groß. Die Bedingungen des Staatsvertrags gehen für die kleine Kammer viel zu weit über die internationalen Standards hinaus. Verkehrsministerin Doris Leuthard erinnerte zwar daran, dass nach einer gemeinsamen Lärmstudie die Belastungen eindeutig auf Schweizer Seite festgestellt worden seien, dennoch sei nun die Kooperation mit den Deutschen gefragt. Die Lobbyistenvereinigung „Komitee weltoffenes Zürich“ sprach von einer „zähneknirschenden“ Zustimmung, da der Staatsvertrag der Schweiz, und besonders dem Kanton Zürich, „Lasten auferlegt, die nicht leicht zu schultern sind“.

Zehnjährigen Rechtsstreit letztinstanzlich entschieden

Fast zeitgleich, aber unabhängig von der Entscheidung in Bern, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eine Klage der Schweiz in letzter Instanz abgewiesen und die Rechtmäßigkeit der von Deutschland im Jahr 2003 verhängten einseitigen Verordnungen anerkannt.

Die Rechtsverordnung formuliert das nächtliche Anflugverbot von Zürich-Kloten über deutsches Hoheitsgebiet. Angeflogen werden darf Zürich-Kloten von Norden seither nur werktags in der Zeit von 7 bis 21 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 9 bis 20 Uhr. Das höchste EU-Gericht sah durch die deutschen Verordnungen das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und der Schweiz nicht verletzt. Mit dem Urteil geht ein zehn Jahre währender Rechtsstreit zu Ende.

Die Landräte in der von Fluglärm besonders betroffenen Region Südbaden begrüßten die EuGH-Entscheidung einhellig. Der Waldshuter Landrat Tilman Bollacher (CDU) forderte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erneut zu Nachverhandlungen mit der Schweiz auf der Grundlage der „Stuttgarter Erklärung“ auf, die unter anderem eine Begrenzung der Flugbewegungen auf 80 000 im Jahr einfordert. Bis jetzt werden jährlich 105 000 Anflüge auf Zürich-Kloten über deutsches Gebiet abgewickelt.

Bundesregierung sieht keinen Bedarf für Nachverhandlungen

Der Konstanzer Landrat Frank Hämmerle (CDU) sagte: „Klar ist, wenn jetzt wieder verhandelt wird, ist die Position Südbadens noch stärker.“ Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich Ende Februar für Nachverhandlungen ausgesprochen. Insbesondere für die umstrittenen Flughöhen und Anflugvarianten müssten eindeutige Regelungen gefunden werden. Andernfalls sei der Vertrag „für die deutsche Seite nicht mehrheitsfähig“, so Kretschmann.

Bis zur Bundesregierung scheint diese Erkenntnis noch nicht vorgedrungen zu sein. Dort wird nach wie vor hartnäckig die Notwendigkeit von Nachverhandlungen bestritten. Von offizieller Seite sei davon „nie die Rede gewesen“, erklärte der deutsche Botschafter Peter Gottwald in Bern gegenüber der „Neuen Züricher Zeitung“. Nachverhandlungen mit dem Ziel einer Vertragsänderung seien nicht möglich. Es gehe lediglich darum, den Vertrag „durch Präzisierungen zu ergänzen“, erläuterte der Diplomat. „Fragezeichen“ sieht Gottwald bei der Luftverkehrsführung und dem umstrittenen gekröpften Nordanflug.

Ramsauer hatte im November 2012 die Ratifikation des Vertragswerks auf Eis gelegt, als der Widerstand aus Baden-Württemberg massiv geworden war und er bei den bevorstehenden Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat Abstimmungsniederlagen befürchten musste.