Die Passagiere sind mit dem Schrecken davon gekommen. Die völlig verpatzte Landung vor Bali aber nährt Zweifel an der Qualität der indonesischen Fluglinie.

Bangkok - D

 

ie Passagiere räumten gerade ihre Habseligkeiten auf und schnallten sich an, als die aus der Stadt Medan kommende zwei Monate alte Boeing 737 der indonesischen Billigfluglinie Lion Air ins Wasser krachte – wenige Meter von der ins Meer ragenden Landebahn nahe der Stadt Denpasar auf der Ferieninsel Bali, die der Pilot angepeilt hatte. „Plötzlich war alles still. Dann kam das Wasser ins Flugzeug, und die Panik startete. Leute schrien und weinten“, erinnerte sich am Sonntag die 33-jährige Passagierin Santi Widiastuti. Sie kam wie durch ein Wunder mit einer Schnittwunde am Oberschenkel davon und überlebte wie 107 weitere Insassen das plötzliche Ende von Flug JT 960.

Fotos und Fernsehaufnahmen des Unfalls stellen die denkbar schlechteste Werbung für das Ferienparadies Bali dar, auf dessen Flughafen jährlich rund zwei Millionen ausländische Touristen ankommen. Die Maschine blieb nur ein paar Meter vom Flughafenzaun mit zerbrochenem Rumpf im flachen Meerwasser auf den Korallen liegen. „Es gab zwei Gummiboote, aber die bewegten sich nicht“, berichtete ein Passagier gegenüber lokalen Medien, der mit einer kleinen Blessur neben dem linken Auge davonkam. Der Mann warf sich ins Wasser und schwamm an Land. Bei den von ihm so beschriebenen Gummibooten handelte es sich wahrscheinlich um die Notrutschen, die sich bei Wasserlandungen automatisch entfalten.

„Die Passagiere hatten Riesenglück, dass das Wasser so flach war. Sonst wäre die Maschine schnell gesunken und es hätte Todesopfer gegeben“, sagt Dudi Sudibyo, Leitender Redakteur der Flugzeugfachzeitschrift Angkasa in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Es war bereits der sechste Absturz von Lion Air seit der Gründung der Linie im Jahr 2000. Der schlimmste Zwischenfall ereignete sich 2004, als 25 Menschen bei einer Bruchlandung in der Stadt Solo ums Leben kamen.

Pilot hatte 10000 Flugstunden Erfahrung

Der indonesische Pilot Mahlup Gozali habe 10 000 Flugstunden Erfahrung, erklärte ein Sprecher der Linie kurz nach dem Unfall. Lion Air hat es bitter nötig, Zweifel an der Qualität seiner Piloten auszuräumen. Elf Lion-Flugzeuge wurden im Januar als Strafe stillgelegt. Die Mehrheit der 30 Piloten, denen Indonesiens Behörde im Januar diesen Jahres die Lizenzen entzog, weil sie die maximal erlaubte Flugzeit von neun Stunden pro Tag überschritten hatten, stammte von Lion Air.

Nach Angaben von Insidern zeigen Radaraufnahmen, dass die abgestürzte Boeing beim Anflug in starkem Regen bei einer Geschwindigkeit von 135 Knoten rund 30 Meter unterhalb des vorgeschriebenen Flugwegs unterwegs war. „Mein Verdacht ist, dass Windböen und die daraus resultierende Instabilität beim Anflug für den Absturz verantwortlich waren“, vermutet Gerry Soejatman, ein indonesischer Flugverkehrsexperte, am Wochenende auf seinem Blog.

Hinter Lion Air steht die erstaunliche Karriere des Gründers Rusdi Kirana. Er startete als Verkäufer von Schreibmaschinen und legte mit seinem Bruder die Ersparnisse zusammen, um im Jahr 2000 die Fluglinie zu gründen und mit Bankenhilfe das erste Flugzeug zu kaufen. Inzwischen soll Lion Air etwa 700 Maschinen besitzen.