Nach dem Absturz des malaysischen Flugzeugs MH17 schieben sich die ukrainische Regierung und Separatisten – mit Unterstützung aus Russland – gegenseitig die Schuld zu. Die Ermittlungen an den Fundorten der Wrackteile werden noch immer behindert.

Kiew - Am Absturzort des malaysischen Passagierflugzeugs in der Ostukraine haben Rettungskräfte die Suche nach Opfern offiziell beendet. Die Helfer hätten 282 Leichen sowie 87 Leichenteile der übrigen 16 Todesopfer gefunden, sagte Vizeregierungschef Wladimir Groisman in Kiew. Die einheimischen Teams würden damit die Arbeiten in der Nähe von Grabowo vier Tage nach dem Absturz der Boeing 777-200 einstellen. Die Fläche war zuletzt von 35 auf 50 Quadratkilometer erweitert worden.

 

Seit Donnerstagabend befinden sich auch Separatisten an der Absturzstelle des Zivilflugzeugs und behindern die Arbeit internationaler Sicherheitsexperten. Auch zu Plünderungen soll es schon gekommen sein. Mittlerweile sind 900 Männer der Rebellen vor Ort. Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und sagte, er schäme sich, dass es in der Ostukraine zu „unmenschlichen Szenen“ komme. Am Montag machten sich 31 internationale Experten, unter ihnen 23 aus den Niederlanden und zwei Deutsche, per Flugzeug auf den Weg von Kiew nach Charkiw. Von dort fuhr eine kleine Gruppe im Auto in die Stadt Tores, um die Leichen und sterblichen Überreste der geborgenen Opfer zu identifizieren.

Leichen wurden ungekühlt aufbewahrt

Der Zustand der Toten wird als sehr schlecht beschrieben. Die Verwesung soll stark fortgeschritten sein, weil die Toten in schwarzen Plastikfolien bei großer Hitze ohne Kühlung seit Samstag in Eisenbahnwaggons auf dem Bahnhof der Provinzstadt gelegen haben. Am Montagabend berichten Augenzeugen, dass der Zug den Bahnhof von Tores verlassen hat. Ukrainische Behördenvertreter teilten mit, der Zug fahre nach Charkiw. Dort sollten internationale Experten die Leichen untersuchen. Charkiw steht unter Kontrolle der ukrainischen Regierung.

Der malaysische Regierungschef Najib Razak erklärte, die sterblichen Überreste der Opfer würden den Niederlanden übergeben. Dies habe ihm der Rebellenchef Alexander Borodaj zugesichert. Außerdem seien die Separatisten bereit, die Flugschreiber der Maschine an Malaysias Behörden zu übergeben.

Ein Team der OSZE fuhr noch einmal an die Absturzstelle in der Stadt Grabowo. Der Leiter der OSZE-Mission, Michael Bociurkiw, sprach von „einer sehr schweren Anreise und extrem ungünstigen Bedingungen vor Ort“. Ukrainische Medien zeigten Fotos von Bränden, die infolge des Hochsommers an der Absturzstelle entstanden sind.

Schwere Gefechte in Donezk und Lugansk

Der Abschuss der Maschine von Flug MH17 markiert einen Wendepunkt: „Seit Donnerstag haben wir es mit einem globalen Konflikt zu tun“, sagte Jazenjuk. Von Russland erwarte er „gar nichts“. Nun sei der Zeitpunkt da, dass EU und USA neue Sanktionen verhängten. Kiew hofft, dass der Westen die Leitung zur Aufklärung des Flugzeugabsturzes übernimmt. „Die Experten sollen sich alles genau anschauen, damit die Welt erfährt, wer für die Tragödie, die sich hier derzeit abspielt verantwortlich ist“, sagte Jazenjuk der StZ.

Mithilfe internationaler Fachleute soll auch geklärt werden, welche Spuren an der Absturzstelle noch verwertbar sind. „Dort haben betrunkene Terroristen das Gepäck der Toten geplündert und auf OSZE-Mitarbeiter geschossen“, beklagte Jazenjuk und kritisierte die monatelange Unterstützung der Separatisten durch Moskau: „Russland pumpt seit Monaten Geld und Waffen in die Ostukraine, diese Art von Kriegsführung ist Terrorismus“.

Vor allem in den Städten Lugansk und Donezk kam es am Montag wieder zu schweren Kämpfen. Die ukrainische Armee startete eine Großoffensive gegen die Separatisten in Donezk. Augenzeugen berichteten im ukrainischen Fernsehen, beide Seiten setzten schwere Waffen ein. Der Bahnhof wurde schwer beschädigt, vier Menschen starben bei dem Angriff.