Die Brexit-Entscheidung hat in Großbritannien bisher kaum Spuren hinterlassen. Doch London muss neue Wirtschaftsmodelle finden, um die Folgen abzufedern, meint unser Redakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Prognosen haben ein Problem: sie betreffen die Zukunft, die nur sehr schwer vorauszusagen ist. Zum Glück für Großbritannien, Europa und auch die Weltwirtschaft sind die schlimmsten Prophezeiungen nicht eingetreten, die den Absturz des Königreiches nach dem Brexit-Referendum befürchteten. Am 24. Juni haben allerdings alle den Atem angehalten. Nach der Abstimmung sackte der Wert des Pfundes in den Keller und die Börse geriet ins Schlingern. Doch dann passierte: nichts! Politik und Wirtschaft stabilisierten sich erstaunlich schnell. Die Befürworter des Austritts frohlockten. Es schienen sogar die Vorteile zu überwiegen, so steigerte das Land durch die schwächere Währung seine Wettbewerbsfähigkeit.

 

Die Nachteile werden überwiegen

Auf lange Sicht werden die Nachteile für Großbritannien nach dem EU-Austritt aber überwiegen. So wird der Zugang zum Weltmarkt für die britische Wirtschaft nicht einfacher werden. Natürlich wird die Ratifizierung von Handelsabkommen für London leichter, doch der Einfluss in den Verhandlungen wird ohne die Wirtschaftsmacht der EU im Rücken deutlich sinken. Gerade aus den großen Schwellenländern kommen kritische Töne, denn dort ist man nicht daran interessiert, neben der EU nun auch noch mit Großbritannien gesondert zu verhandeln. Auch die Zukunft des Bankenstandorts steht in Frage, denn der Erfolg der Branche ist zu einem guten Teil das Ergebnis der britischen EU-Mitgliedschaft. Die Finanzdienstleister in London werden den Brexit überleben, Brückenköpfe etwa in Frankfurt sind schon geplant. Doch es ist unwahrscheinlich, dass der Bankenplatz seine frühere Attraktivität und damit auch Dynamik beibehält.

Die Suche nach neuen Modellen

Die britische Wirtschaft wird Wege finden müssen, über die sie langfristig die Folgen des Brexits abfedert. Das könnte die Wiederbelebung des Fertigungssektors sein, der in Großbritannien in den vergangenen Jahrzehnten nur noch ein Schattendasein führte. Gelingt es Politikern und Ökonomen nicht, ziemlich schnell alternative Wachstumsmodelle zu eröffnen, könnte der Brexit doch noch zur vorhergesagten Katastrophe für Großbritannien werden.