Die Folgen des EnBW-Deals und die Untersuchungen um Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus zwingen die CDU in Baden-Württemberg in die Defensive – und bedrohen ihre Glaubwürdigkeit.

Stuttgart - Ein Freidemokrat hat in diesen Tagen ein schönes Bild gefunden zum Zustand der CDU in Baden-Württemberg. Wie ein Flugzeug auf der Startbahn sei die Partei unterwegs; ein Passagierjet, der in ständig neuen Anläufen versuche, endlich in die Luft zu kommen. „Doch kurz vor dem Abheben kommt dann wieder der Untersuchungsausschuss daher und drückt ihn nach unten.“

 

Man muss jetzt keine Stilkritik üben und darauf hinweisen, dass Parlamentsausschüsse keine Luftfahrzeuge wohin auch immer drücken können. Es verhält sich einfach so, dass die Christdemokraten im Südwesten die kurze Ära des Ministerpräsidenten Stefan Mappus gerne hinter sich ließen, um endlich wieder so wahrgenommen zu werden, wie sie sich selbst sehen: als die Partei, die Baden-Württemberg in fast 60 Jahren an die Spitze der Bundesländer geführt hat. Und als die Partei, die das Lebensgefühl der Menschen im Land am sinnfälligsten von allen aufnimmt und widerspiegelt. So soll es wieder werden. Möglichst rasch. Zum Leidwesen der CDU aber verbinden viele Menschen gegenwärtig die Partei mit einer Form von Politik, die sie als überholt, ja abstoßend empfinden. Es ist die Mappus-CDU, die in den Köpfen noch wabert, obwohl der Ministerpräsident und Landesparteichef Mappus schon längst Geschichte ist.

Selbst in der Zukunftswerkstatt reden alle über Vergangenes

Mit jedem Detail, das aus dem Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal ans Licht der Öffentlichkeit dringt, mit jeder neuen frivolen Mail, die von den Journalisten aus den Ordnern der Investmentbank Morgan Stanley gezogen wird, zieht die Mappus-CDU wieder herauf. Wer will, mag dahinter das machtpolitische Kalkül der grün-roten Koalition sehen. „Die Regierung versucht, über die EnBW-Geschichte die Opposition in Schach zu halten“, sagt etwa Winfried Mack, der stellvertretende Landes- und Fraktionschef der CDU. Er war einst ein Mappus-Mann, hat sich aber inzwischen vorsichtig aus der Gefolgschaft gelöst und durfte zuletzt sogar die „Zukunftswerkstatt“ leiten, welche die CDU mit Ideen für die Zeit nach Mappus versorgen soll. Die Vergangenheit aber klebt an der Partei wie Kaugummi an der Schuhsohle. Vor einer Woche wollte Mack zusammen mit Landesparteichef Thomas Strobl die Produkte der Zukunftswerkstatt vortragen. Doch was geschah bei der Pressekonferenz? „Eine halbe Stunde haben wir über den EnBW-Deal geredet.“

Der Untersuchungsausschuss, sagt der nord-württembergische CDU-Bezirksvorsitzende Steffen Bilger, „ist definitiv ein Problem für uns“. Ein „verheerender Eindruck“ sei da entstanden. „Das wird auch noch einige Monate so weitergehen, Grün-Rot macht das geschickt.“ Doch so, wie man gegenwärtig über die Partei spreche, werde man der CDU nicht gerecht.

Was aber tun? Wer auf Abgeordnete und Parteifunktionäre trifft, gewinnt nicht den Eindruck, als hätten die Christdemokraten ein erhöhtes Interesse daran, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Ihre Bereitschaft zur Selbstkritik ist endlich. Bei manchen liegen die Nerven blank. „Ich habe die Schnauze voll von den Diskussionen um Mappus“, sagt ein Abgeordneter im Landtag. Er wolle davon nichts mehr hören und nichts mehr darüber lesen. Auch Mack, der Vizeparteichef, betrachtet die Affäre als erledigt. Mappus sei als Ministerpräsident abgewählt worden. Aus der Politik sei er draußen. „Was will man noch mehr?“

In der modernen Demokratie ist außerhalb des Strafrechts die Abwahl die Höchststrafe. Im alten Athen, dem klassischen Ort der Demokratie, ging es noch ein wenig schärfer zu. Dort konnten die Bürger einen Politiker für zehn Jahre in die Verbannung schicken. Ostrakismos hieß das Verfahren – nach den Tonscherben, auf welche die Namen der Verfemten geritzt wurden. Die schipperten dann nach Sizilien, landeten am persischen Hof an oder zogen sich auf eine der zahlreichen griechischen Inseln zurück. Den Weg ins Exil, wenn auch ins frei gewählte, war auch Stefan Mappus gewillt zu gehen. Südamerika hieß sein Ziel nach der Wahl. Der Untersuchungsausschuss hielt ihn davon ab. Nächstes Jahr, wenn alles vorbei ist, wird er wohl einen neuen Anlauf wagen.

Sogar die Treueste der Treuen sucht den Notausgang

Erst mal ist er noch hier, um regelmäßig alle Vorwürfe gegen sich als absurd abzuwehren. Doch abseits seines Biotops Pforzheim, wo er immer noch viel Zuspruch erhält, wächst die Einsamkeit. Sogar die Treueste der Treuen, Ex-Umweltministerin Tanja Gönner, gibt kurz vor ihrem Wechsel an die Spitze der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit ihre „Fassungslosigkeit“ zu Protokoll, nachdem sie die Mails zur Kenntnis nehmen musste, die Mappus und sein Bankerfreund Dirk Notheis gewechselt hatten. Der „Südwest Presse“ sagte Gönner, der Rückkauf der EnBW-Aktien sei in der Sache richtig gewesen. „Aber was den Umgang anging, wie beispielsweise die ungeheuerliche Flapsigkeit des Tons in diesen Mails, das geht nicht.“

Damit zeichnet Gönner eine Linie, die in der CDU konsensfähig ist: der EnBW-Deal an sich war gut, der Weg des Verfassungsbruchs natürlich schlecht – was sollen die Christdemokraten auch anderes sagen? Um aber nicht ständig mit Mappus identifiziert und mit seinem miesen Image neu infiziert zu werden, fordern einzelne Mitglieder den Parteiausschluss. Landeschef Strobl hält das für abwegig. Christian Bäumler, Chef der Sozialausschüsse, verlangt von Mappus eine Entschuldigung. Doch mehr als das Zugeständnis, nicht mutwillig gegen die Verfassung verstoßen zu haben, wird er von Mappus nicht bekommen. Schon gar nicht Bäumler, der einiger der ganz wenigen war, die es wagten, gegen Mappus aufzubegehren, als dieser noch die Rolle des Allgewaltigen gab.

Die Zeit der Direktiven ist vorbei

Irgendwie bräuchte die Partei von irgendwoher ein klärendes Wort. Thomas Strobl, dem Landesvorsitzenden, will es nicht so recht gelingen. An einem Tag distanziert er sich deutlich von Mappus, am nächsten verwässert er seine Kritik wieder. Er richtet sein Handeln danach aus, die alten Wunden aus der Zeit der Konflikte zwischen den Anhängern von Mappus und denen des früheren Ministerpräsidenten Oettinger nicht wieder aufreißen zu lassen. Verheilt seien diese Wunden noch nicht, sagt Strobl. „Es ist neue Haut darüber gewachsen, aber die ist noch verletzlich.“ Der Parteichef, unter Mappus Generalsekretär, wirkt unentschlossen. Dabei gestehen ihm eigentlich alle in der Partei zu, eine neue Diskussionskultur in die Partei getragen zu haben. Die Zeit der Direktiven ist vorbei.

Fraktionschef Peter Hauk sagt: „Wir müssen eine nicht von der Fraktion zu verantwortende Glaubwürdigkeitskrise überwinden.“ Das könne gelingen, „weil die damals Verantwortlichen keine Rolle mehr spielen.“ Nun seien neue Köpfe am Werk, die daran arbeiteten, mit neuen Ideen neues Vertrauen aufzubauen. In Wahrheit ist das Vertrauen der Partei in die neuen Köpfe noch stark ausbaufähig. Mit jedem Monat, der den EnBW-Deal in der Diskussion hält, leidet auch das Ansehen der neuen Führung. Ein verhängnisvoller Zirkel. Strobl und Hauk können sich allenfalls damit trösten, dass in ihrem Rücken keine Wuchtbrummen lauern, die ihnen wirklich gefährlich werden könnten. Und so läuft die eigentliche Strategie der CDU für die Mappus-EnBW-Affäre allein darauf hinaus, duldsam zu warten, bis niemand mehr im Land von dem Thema hören will.