Der neue Trainer Jemil Hamiko der Stuttgart Scorpions bezeichnet sich selbst als schwierigen Charakter. Mit strengen Regeln und klaren Worten führt er den Football-Erstligisten zurück zum Erfolg.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Esslingen/Stuttgart - Er bezeichnet sich selbst als „totalen Kontrollfreak“. Nur seine eigenen Emotionen kann Jemil Hamiko nicht immer in Zaum halten. Wenn er verärgert ist, lässt der neue Trainer des Football-Erstligisten Stuttgart Scorpions das raus. Dann brüllt er so laut, dass auch die Zuschauer in den ersten Reihen des Esslinger Eberhard-Bauer-Stadions mitbekommen, was ihn frustriert – trotz des großen Abstandes der Tribüne zum Spielfeldrand. „Dazu stehe ich. Ich bin Südländer und kann schon aus meiner Haut fahren“, sagt der 33-Jährige mit den syrischen Wurzeln.

 

Wer ihn nur so erlebt, wie er da mit seinen tätowierten Armen steht und schreit, gewinnt schnell einen falschen Eindruck. Denn Jemil Hamiko kann auch anders. Eine halbe Stunde nach dem 36:33-Heimsieg gegen die Marburg Mercenaries sitzt er geschafft in der Abendsonne auf einer alten Holzbank neben dem Kaffeehäuschen. Er spricht ganz ruhig und reflektiert über sich und seine Überzeugungen. Mit dem tobenden Typen von eben hat er da nur noch die äußere Erscheinung inklusive der Schildmütze auf dem Kopf gemeinsam.

Die Kritiker warten vergeblich auf das Scheitern

Es gibt nicht wenige Menschen, die ihn als schwierigen Charakter einstufen. Jemil Hamiko zählt selbst dazu, deshalb kann er damit auch ganz gut umgehen. „So viele Leute haben gesagt, ich sei der falsche Mann für diesen Job – ich liebe solche Aussagen“, sagt der Mann aus Böblingen, den so etwas richtig anstachelt. „Ich finde es schon krass, wie viele Leute immer noch darauf warten, dass wir scheitern.“ Bisher warten seine Kritiker darauf allerdings vergeblich. Die Scorpions, die 2013 erstmals in diesem Jahrtausend die Play-offs verpassten, haben ihre ersten vier Saisonspiele etwas unerwartet allesamt gewonnen und führen mit 8:0 Punkten die Südstaffel der German Football League an.

Dabei standen die offensivstarken Stuttgarter am Sonntag kurz vor ihrer ersten Niederlage. Mit 7:27 lagen sie nach dem ersten Viertel zurück, zur Halbzeit mit 14:33. Doch sie drehten die Partie noch. „Diese Jungs sind der Wahnsinn. Das sind alles Bulldoggen, die geben nie auf“, sagt Jemil Hamiko. Genau diesen Glauben an sich selbst in jeder noch so schwierigen Situation predigt der gläubige Katholik seinen Spielern, seit er im Winter als Trainer eingestiegen ist. „Ich bekehre hier aber niemanden zur Bibel. Man muss nicht an Gott glauben, um Glauben zu besitzen – wir müssen einfach nur an uns glauben.“

Bei den Tattoos auf seinen Armen dreht sich alles um Familie. Seine Frau Jessica sowie seine Söhne Jamie (9) und Levi (4) sind ebenso verewigt wie seine Brüder und Eltern. Auf der linken Wade steht zudem „I will never give up“ – ich werde niemals aufgeben. Auf diesem Mantra basiert seine Philosophie, die er mit strengen Vorschriften und klaren Worten vermittelt. Er hat seinen eigenen Kopf und setzt ihn durch. Er ist das Gesetz.

Wer sich nicht an Jemil Hamikos Regeln hält, bekommt Ärger

„Halte dich an Jemils Regeln, und Jemil und du sind die besten Freunde“, sagt Jemil Hamiko. Wenn nicht, bedeutet das Zoff. „Er hat zwei Seiten. Wir schauen immer, dass er gut gelaunt ist – Ärger will man nicht mit ihm haben“, sagt der Stuttgarter Verteidiger Hans Stecher. „Er ist seit das Beste, was wir seit fünf Jahren haben. Er weiß, wovon er redet, die Erfolge sprechen für sich.“

Meist bekommen allen voran die neun Assistenten aus seinem üppigen Trainerstab die Wut des detailversessenen Kontrollfreaks ab. Während des Spiels verbietet Jemil Hamiko („Ich bin wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde“) ihnen dann schon mal, mit ihm zu reden. Bewusst hat er sich nur Männer wie Vasilios Ntonas ausgesucht, die das auch aushalten. „Wir wären nicht so erfolgreich, wenn ich nicht so gute Assistenztrainer hätte“, sagt Jemil Hamiko, der als Kaufmann im Groß- und Außenhandel arbeitet.

Der Scorpions-Vorsitzende Markus Würtele hat dem 33-Jährigen, der zuvor Cheftrainer bei Holzgerlingen Twister war und als Assistent Meister mit den Schwäbisch Hall Unicorns wurde, bei der Zusammenstellung der Trainercrew und des Spielerkaders freie Hand gegeben. Und er ist für seinen Mut belohnt worden, den streitbaren Coach trotz kritischer Gegenstimmen zu engagieren. „Er hat zu mir gesagt: Markus, gib’ mir Zeit, wir machen das schon“, sagt Markus Würtele. „Bisher hat er nicht viel Zeit in Anspruch genommen.“