Die Stuttgart Scorpions sind in der Football-Bundesliga nach neun Spielen ungeschlagen und so gut wie sicher in den Play-offs. Am Sonntag kommt es in Esslingen zum Spitzenspiel gegen Schwäbisch Hall – 1500 Fans werden erwartet.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Play-offs? Über dieses Thema wollte der neue Trainer Jemil Hamiko vor der Saison partout nicht reden, sondern frühestens nach acht Spielen. Nun sind sogar neun Partien vorüber – und diese Frage stellt sich gar nicht mehr. Denn die Stuttgart Scorpions sind noch immer verlustpunktfrei und auf dem besten Weg zur Meisterschaft in der Südstaffel der German Football League (GFL). Der Einzug in die Play-offs ist ihnen nur noch höchst theoretisch zu nehmen.

 

Reicht es nun womöglich sogar zum ersten deutschen Meistertitel in der Vereinsgeschichte? „Wenn alle an einem Strang ziehen, können wir es auch in den German Bowl schaffen“, sagt Jemil Hamiko. „Bis jetzt war aber nur ein Spiel nicht eng. Und die Play-offs haben ihre eigenen Regeln, da können Spieler über sich hinauswachsen – oder eben auch nicht.“

Am vergangenen Samstag bezwangen die Scorpions im Esslinger Eberhard-Bauer-Stadion, wo sie während dem Umbau des Gazi-Stadions auf der Waldau ihre Heimspiele austragen, den Aufsteiger Allgäu Comets vor 795 Zuschauern mit 31:28. Am Sonntag (15 Uhr) erwartet der Vorsitzende Markus Würtele nun mindestens 1500 Zuschauer – wenn die Schwäbisch Hall Unicorns zu Gast sind. Denn das württembergische Derby ist zugleich das Spitzenspiel der GFL-Südstaffel.

Die angriffsstärksten Mannschaften Deutschlands

Für die Gäste ist es bei vier Punkten Rückstand die letzte Chance, den Stuttgartern den ersten Platz noch streitig zu machen. Für das Duell ist ein Offensivspektakel mit vielen Punkten zu erwarten. Denn es treffen die angriffsstärksten Mannschaften Deutschlands aufeinander. Die Schwäbisch Haller haben bisher im Schnitt 45 Zähler pro Begegnung auf die Anzeigetafel gebracht, die Stuttgarter 44.

Maßgeblichen Anteil daran hat bei den Scorpions Luke Barthelmess. Der US-Quarterback hat schon 2233 Yards Raumgewinn mit seinen Pässen verbucht und zudem 1207 Yards mit dem Ball unterm Arm erlaufen. Seine Lieblingsanspielstation ist sein Landsmann Mar’quone Edmonds, der mit 73 gefangenen Bällen, 982 Yards Raumgewinn und 14 Touchdowns die Statistiken der Passempfänger anführt. „Wir haben nicht nur gute Amerikaner, sondern auch herausragende deutsche Spieler“, sagt Luke Barthelmess. „Das ist die Mannschaft mit dem besten Zusammenhalt, die ich bislang erlebt habe. Da willst du nicht der Grund sein, warum sie verliert.“

Für ihn bedeuten die vielen Siege ein ganz neues Gefühl. Denn mit dem Team der Lawrence University im US-Bundesstaat Wisconsin konnte der 22-Jährige in vergangene Saison in der dritten Collegeliga in zehn Anläufen nur einmal gewinnen. Die Scorpions verpflichteten Luke Barthelmess danach auf Empfehlung ihres ehemaligen Trainers Tom Ross, der mittlerweile als Assistenzcoach an der Southwestern University tätig ist. „Viele haben uns belächelt, aber er ist ein guter Griff und zeigt super Leistungen“, sagt der Stuttgarter Vorsitzende Markus Würtele.

„Die Atmosphäre im Stadion ist toll“

Wobei Luke Barthelmess just am Samstag gegen die Allgäu Comets seine bisher schwächste Vorstellung ablieferte. Ob das daran lag, dass seine tags zuvor aus Wisconsin angereisten Eltern Mike und Becky erstmals zuschauten? „Nein, nein. Mein Dad war die letzten vier Jahre am College mein Coach, daran kann es nicht gelegen haben“, sagt Luke Barthelmess. Nervös war nur sein Vater, weil er das Treiben seines Sohnes auf dem Platz jetzt nicht mehr direkt beeinflussen kann. Von seinem ersten Footballspiel in Deutschland war der hauptberufliche Trainer übrigens angetan: „Die Atmosphäre im Stadion ist toll.“

So wie sich Luke Barthelmess’ Bilanz aus Siegen und Niederlagen grundlegend geändert hat, hat sich auch das Punktkonto der Scorpions zum Positiven gewendet. Nachdem sie vergangene Saison erstmals in diesem Jahrtausend die Play-offs verpasst hatten, starteten sie mit Jemil Hamiko einen Neuanfang. „Back to the top“ lautete ihr Motto dazu – zurück an die Spitze. Dass das in Rekordzeit gelingen würde und der schlechtesten Saison seit vielen Jahren die beste folgen würde, hatte aber nicht einmal der neue Trainer für möglich gehalten. Und auch der neue Quarterback nicht, der Gefallen am Gewinnen gefunden hat. „Keiner von uns will auch nur ein Spiel verlieren. German Bowl – klar ist das möglich“, sagt Luke Barthelmess. Finale?