Die Zahlen lügen nicht. Auf den Landstraßen gibt es die meisten Verkehrsopfer. Experten raten zu einem Bündel an Maßnahmen. Dazu gehört die Regelgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern.
Stuttgart - Auf Bundes-, Land- und Kreisstraßen soll außerorts künftig in der Regel nicht mehr Tempo 100 als Höchstgeschwindigkeit gelten, sondern nur noch Tempo 80. Genauso schnell sollen dann auch Lastwagen fahren dürfen, für die momentan höchstens 60 erlaubt ist. Das fordert der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar, der auf diese Weise die gefährlichen Landstraßen sicherer machen will und dessen Empfehlungen der Gesetzgeber oft folgt. Hintergrund ist, dass rund 60 Prozent aller Verkehrsopfer auf diesen Strecken zu beklagen sind. 2013 wurden hier 1934 Tote registriert, viel zu viele, wenn man das von der Politik gesteckte Ziel erreichen will, die Unfalltoten in diesem Jahrzehnt um 40 Prozent zu vermindern.
Die Ursachen für das hohe Risiko auf den rund 200 000 Kilometern Landstraße sind laut den Experten in Goslar vielfältig. Viele Strecken sind schmal, kurvig, haben unbefestigte Seitenstreifen und bieten wenig Überblick. Dazu kommt der Faktor Mensch. „Unser Hauptproblem ist männlich, unter 25 Jahre alt und häufig alkoholisiert“, berichtete ein Polizist auf dem Treffen von rund 2000 Fachleuten aus Ministerien, Behörden, Wirtschaft und Justiz. Es werde zu schnell gefahren und an den falschen Stellen überholt.
Russisch Roulette auf Landstraßen
Tatsächlich sei bei 70 Prozent aller Überholunfälle auf Landstraßen die Sicht nicht ausreichend gewesen, zitierte Siegfried Brockmann, der oberste Unfallforscher der Versicherungswirtschaft, aus einer jüngsten Studie. Oft hätten die Fahrer dabei quasi „russisch Roulette“ gespielt. Allerdings habe es auch in Dreiviertel dieser Bereiche kein Überholverbot gegeben. Das habe die Betroffenen womöglich in falsche Sicherheit gewiegt. Deshalb verlangt der Verkehrsgerichtstag nun, prinzipiell an diesen Stellen Überholverbote zu erlassen.
Ähnlich riskant wie junge Männer verhalten sich viele Motorradfahrer. Rund zwei Drittel aller schweren Unfälle, in die sie verwickelt sind, gehen auf ihr Konto. 400 Biker sterben jährlich auf Landstraßen. Sie müssten vor allem gebremst, aber auch besser geschützt werden etwa durch entsprechende Leitplanken in Kurven. Ein besonderes Risiko stellen nach Einschätzung der Fachleute die Alleen dar. Immerhin 26 Prozent aller Toten sterben durch den Aufprall auf einen Baum. „Diese Gefahr wird unterschätzt“, sagt Brockmann. Zwar ist für neue Straßen vorgeschrieben, dass Hindernisse weit weg von der Fahrbahn sein müssen. Doch viele alte Straßen lassen sich nur schwer so einrichten. „Bei einer Straße habe ich drei bis vier Jahre lang für 350 Meter Baumschutz gekämpft“, erzählt ein Beamter aus Niedersachsen. Die Fachleute machen sich dafür stark, dass die öffentliche Hand künftig feste Budgets für Sicherheitsmaßnahmen vorhält. Übrigens muss niemand befürchten, künftig außerorts stets ausgebremst zu werden: Auf gut ausgebauten Abschnitten soll weiter Tempo 100 erlaubt sein – aber als Ausnahme und nicht mehr als Regel.