Bernie Ecclestone ist nach 40 jahren nur noch Ehrenpräsident der Formel 1, weil das Sagen jetzt der US-Konzern Liberty Media hat.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Beim Österreich-Grand-Prix 2016 marschiert Bernie Ecclestone in das Kommunikationszentrum eines Formel-1-Teams. Es dauert keine drei Sekunden, da verschwindet der kleine Mann hinter einer Reporterschar. Lässige Jeanshose, schwarze Lederjacke – der damals 85-Jährige präsentiert sich jugendlich. Und er wirft den Zuhörern ein paar Brocken hin. Es geht darum, was anders werden muss in der Formel 1. Als „Big Bernie“ dann genug hat, auch weil sich bohrende Fragen einschleichen, drückt er zwei Männer freundlich zur Seite, so dass eine Lücke entsteht. Durch die haut er ab.

 

Kleiner Mann, riesige Wirkung – das ist Bernie Ecclestone. Wenn er in der Fahrerlagern der Rennserie aus seinem dunkel verglasten Bus steigt, legen die Fotografen einen Spurt hin. Freundlich grüßt er jeden, den er kennt. Er erfüllt Autogramm- und Fotowünsche der Fans. Selten genervt, aber immer mit diesem grimmigen Pokerface marschiert der Pate durch sein Revier, ach was: der König durch sein Reich.

Ohne Bernie – geht das?

Damit soll es jetzt vorbei sein? Gedanklich noch in den guten alten Zeiten verhaftete Rennsportpuristen glauben, die Formel 1 werde nie wieder so sein wie sie war – ohne Bernie! Man kann nicht einfach die zentrale Figur aus dem Spiel nehmen. Den Mann, dem alle alles zu verdanken haben. Der Gebrauchtwagenhändler versuchte sich relativ erfolgfrei als Rennfahrer, war Manager von Jochen Rindt, auch Teamchef – doch als er 1977 die Werberechte und ein Jahr später die TV-Rechte an der Formel 1 erwarb, war er der Big Boss, der sich ein Imperium schuf. Eines, das Milliarden umsetzt. Ecclestone wurde zu einem der erfolgreichsten Geschäftsmänner der Welt.

In den 70er Jahren, in denen die Teams oft nicht wussten, ob sie sich noch einen zweiten Reifensatz leisten können, fing alles an. Die von Ecclestone angeworfene Geldvermehrungsmaschine machte sie im Laufe der Jahre alle zu Millionären: Rennställe, Topingenieure, Teamchefs – und allen voran die Piloten. Ecclestone zog Hersteller wie Mercedes, BMW oder Toyota an Land. Und er zog Rennstreckenbetreibern oder Regierungen bis zu 30 Millionen Dollar Antrittsgebühr aus der Tasche – pro Jahr.

Skurril, verrückt und reich

Bunt, skurril, verrückt, aber vor allem auch steinreich – das ist die Welt, die der heute 86 Jahre alte Brite erschaffen hat. Und diese PS-Welt, die glaubt, die Erde drehe sich nur um sie, ist dem Chef wohl selbst ein bisserl zu Kopf gestiegen. Der für seine undiplomatischen Aussagen bekannte Engländer bekam schon Ärger mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Institution forderte die Formel-1-Teams auf, Ecclestone zu boykottieren, weil er in einem Interview kundtat, dass Adolf Hitler „kein Diktator“ gewesen sei und einer, der imstande wäre, „Dinge auch regeln zu können“. Dafür musste er sich entschuldigen – viel gelernt hat er daraus nicht.

Auch Bestechung war im Spiel

Es dauerte nicht lange, da sprach er wieder – ohne nachzudenken. „Ich glaube nicht, dass Demokratie der richtige Weg ist, ein Land zu führen“, so lautete der nächste Satz des Mister E., der abermals für Entrüstung sorgte. Als Beispiel führte er Saddam Hussein an. „Er hat aus dem Irak ein stabileres Land gemacht“, sprach Ecclestone, der die Geschicke im Brumm-Brumm-Zirkus selbst leitete wie ein kleiner Diktator.

Oft aus der Kurve geflogen

Oft ist Ecclestone mit seinen Äußerungen aus der Kurve geflogen, und wegen Bestechung saß er auch schon vor Gericht. Außerhalb der Formel-1-Szene löste der 1930 in Ipswich geborene Brite immer wieder Kopfschütteln aus – doch innerhalb der PS-Branche waren die Entgleisungen und Verfehlungen des verdienten Chefs schnell vergessen. So sei er halt, der Bernie – ein bisschen alt und eigen. Doch mit den Jahren wurde auch in der Formel 1 immer kritischer auf den Mann mit der lustigen Pilzfrisur geguckt. Es könne nicht sein, dass nur einer bestimmt und nur einer richtig abkassiert – nämlich der Boss.

Diesen scherte es auch wenig, in Ländern wie Bahrain fahren zu lassen, wo eine Königsfamilie den Demonstranten mit Panzern begegnet. Ecclestone herrschte und entschied ja auch allein. Sein Demokratieverständnis ähnelt dem des US-Präsidenten Donald Trump und dem des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin – beide findet Ecclestone ziemlich gut.

Jetzt ist der Formel-1-Patron raus aus dem Spiel. Als Ehrenpräsident darf er dem US-Konzern Liberty Media, der jetzt das Sagen, noch beratend zur Seite stehen. „Meine neue Position ist jetzt so ein amerikanischer Ausdruck. Eine Art Ehrenpräsident. Ich führe diesen Titel, ohne zu wissen, was er bedeutet“, sagt Bernie Ecclestone ziemlich lustlos. Zu lange war er König.