Die Rennserie hat Probleme, beim jungen Publikum anzukommen. Das zeigt sich in sinkenden Zuschauerzahlen. Doch Marketinginnovationen, etwa Auftritte in den neuen Medien, blockt der Patron Bernie Ecclestone ab.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Es riecht wieder nach Benzin. Beim Motorsport-Kick-off für die Saison 2016 präsentierten sich am Freitagmittag bei Mercedes in Fellbach Lewis Hamilton, Nico Rosberg und die DTM-Piloten zum Interviewmarathon. Eröffnet wurde die Präsentation der Silberpfeil-Piloten vom Daimler-Konzernchef: „Mercedes ist Motorsport, er hat die Marke von Anfang an geprägt“, sagte Dieter Zetsche.

 

Unter Berücksichtigung des Feinstaubalarms wurden die Piloten am Spätnachmittag mit Elektroautos auf den Stuttgarter Marktplatz chauffiert. Dort sprachen sie noch einmal vor den Passanten und verteilten Autogramme. Die Charmeoffensive der Mercedes-Benz-Sportabteilung hat einen ganz einfachen Grund: Die Formel 1 muss bürgernah werden, live erlebbar sein – denn die Besucher vor den Fernsehgeräten oder an den Rennstrecken, die werden nicht mehr, sondern weniger.

Woran das liegt? Der Formel-1-Tross ist der Meinung, dass sich die Rennserie nicht mehr zeitgemäß präsentiert. Der Zuschauerschwund am Sonntagnachmittag ist spürbar, nur noch hart gesottene Fans setzen sich bei Europarennen pünktlich um 14 Uhr vor den Fernseher. Im Interview mit dieser Zeitung stellte der Mercedes-Sportchef Toto Wolff in Frage, ob dieses Zeitfenster noch das richtige sei. Vor allem in Deutschland sinkt das Zuschauerinteresse trotz des Umstandes, dass sich Mercedes als Dauersieger präsentiert, der Deutsche Nico Rosberg im Auto sitzt und sein Landsmann Sebastian Vettel als viermaliger Champion einen Ferrari lenkt.

Die Formel 1 hat ein schwerwiegendes Problem: Die durch den Formel-1-Supermann Michael Schumacher generierten Traumquoten sind Geschichte. Selbst während Vettels vier gewonnenen Red-Bull-Weltmeisterschaften fiel die Fernsehquote hierzulande von durchschnittlich zehn auf bestenfalls sechs Millionen Fernsehzuschauer deutlich ab – und diese Tendenz nach unten setzt sich fort, da helfen auch keine Mercedes-Erfolge am Fließband.

Beim deutschen Publikum ist ein bisschen müde

Beim deutschen Publikum – aber nicht nur dort – hat sich eine an den Quoten ablesbare Formel-1-Müdigkeit eingeschlichen. „In Spanien leiden die Quoten, wenn Alonso nicht konkurrenzfähig ist, und wenn er um Siege kämpft, dann sind sie wieder richtig gut“, sagt der Mercedes-Sportchef Toto Wolff. Es gehe eben in erster Linie um den Fahrer: er ist es, der die Emotionen weckt, und nicht das nach einem Rennen in der Boxengasse geparkte, qualmende Auto. Insofern wäre nach Ansicht von Wolff ein deutscher Fahrerweltmeister in einem deutschen Fabrikat „natürlich eine schöne Geschichte“. Doch das Allheilmittel wäre es wohl nicht.

Die Rennserie hat vor allem im Hinblick auf die neuen Medienkanäle ein Präsentationsproblem. Modern denkende Formel-1-Protagonisten wie Wolff machen sich seit längerem darüber Gedanken, wie ein jüngeres Publikum angelockt werden könnte. Doch keiner weiß so genau, wie das Produkt in den neuen Medien zu platzieren ist. Und vor allem: es ist auch gar nicht so einfach. Als der Formel-1-Pilot Romain Grosjean neulich ein Video während der Saisonvorbereitung drehte und dies spaßeshalber ins Internet stellte, da freute er sich diebisch über eine Million Menschen, die sein Filmchen angeklickt hatten. Sofort wurde der Rennfahrer vom Formula One Management (FOM) jedoch aufgefordert, das Filmchen wieder zu löschen. Denn allein die FOM entscheidet darüber, was über die Serie gesendet werden darf und was nicht.

Dabei müsste die neue Generation über soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram über die Formel 1 auf dem Laufenden gehalten werden – das glauben die Freunde der neuen Medien. Die Belieferung digitaler Kanäle mit möglichst attraktivem Formel-1-Stoff ist das eine, zum anderen muss ein gesunder Mix zwischen Bezahlfernsehen und Free-TV gefunden werden. „Wir müssen die Formel 1 stärker digital und interaktiv vermarkten“, sagt sogar der dem Zeitgeist nahe stehende Konzernchef Zetsche und kündigt an, dass sich die Stuttgarter in dieser Angelegenheit im Zweifel selbst engagieren werden.

Soziale Medien sind für Ecclestone nur Firlefanz

In der Debatte um die neuen Wege beißen die Befürworter des Aufbruchs beim Formel-1-Patron Bernie Ecclestone allerdings auf Granit. Für den 85 Jahre alten Briten sind die sozialen Medien offenbar nichts weiter als moderner Firlefanz – an dem kein Cent verdient wird. Er glaubt auch nicht, dass durch Facebook oder ähnliche Kanäle mehr Zuschauer und Fans zu gewinnen seien. Zwischen 2007 und der Vorsaison ist die Zahl der Fernsehzuschauer weltweit allerdings von knapp 600 Millionen auf 435 Millionen gesunken. Trotzdem: Ecclestone will sich auf nichts Neues einlassen – und ausschließlich an seiner Art des Geschäftemachens festhalten.

Pro Saison macht die Formel 1 immer noch bis zu 1,3 Milliarden Dollar Gewinn, der auch an die Teams verteilt wird. Das geschieht über Ecclestones brillante Verhandlungsfähigkeiten beim Erwerben von Fernsehverträgen, Abmachungen mit finanziell potenten Gastgeberländern wie Bahrain und Abu Dhabi und natürlich auch über die horrenden Eintrittsgelder. Die wollen allerdings immer weniger Menschen bezahlen. Nicht selten fährt die Serie daher vor Geisterkulissen.

Es gilt also, neue Fans zu suchen – am besten über soziale Medien. Es gibt schon Filme im Internet über einen Formel-1-Ferrari, der im Skigebiet von Livigno mit Schneeketten unterwegs ist. Auch die Piloten verschicken fleißig Filme, so kann man etwa Rosberg dabei zuschauen, wie er mit Freunden im Urlaub auf der Straße Pizzakartons leert. Auch Typen wie Hamilton mit ihrem extrovertierten Lebensstil sind präsent. Eines der letzten Formel-1-Bilder zeigte Brittny Ward unter dem Titel „Jenson Buttons neues Häschen“. Dabei bedeckte die Schönheit mit Blumen ihren Busen und lächelte kess. Das geht zwar am Thema stramm vorbei – doch ein Anfang in der neuen Medienwelt ist gemacht.