Die Kommunikationswissenschaftlerin und Psychologin Ruth Festl von der Universität Hohenheim hat im Vaihinger Fanny-Leicht-Gymnasium über die Gefahren des digitalen Fußabdrucks informiert.

Hohenheim - Was bringt Jugendliche dazu, Mitschüler im Internet bloßzustellen, gar zu drangsalieren? Ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt der Universität Hohenheim beschäftigt sich derzeit mit den Themen Computernutzung, Computerspiele und Cybermobbing. Das Fanny-Leicht-Gymnasium ist eine von 33 Schulen, die sich daran beteiligen: Schüler beantworteten im Frühjahr 2013 und erneut ein Jahr später anonym Fragen zum Thema Mobbing im Internet. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Psychologin Ruth Festl stellte im Elterncafé, zu dem der Verein Freunde des Fanny-Leicht-Gymnasiums zweimal im Jahr einlädt, die ersten Forschungsergebnisse vor.

 

Unter der Überschrift „Digitaler Fußabdruck im Netz“ erläuterte Ruth Festl insbesondere, inwieweit sich Cybermobbing vom althergebrachten Mobbing in der Schule unterscheidet. Gefragt worden war, ob die Schüler diesbezüglich Erfahrungen als Opfer oder als Täter gemacht haben. Es ging dabei unter anderem um das Schreiben beleidigender Nachrichten, um das Beleidigen eines anderen auf einer öffentlichen Webseite, das Schreiben von Nachrichten unter falschem Namen, das Verbreiten von Gerüchten oder das Weiterleiten von vertraulichen Informationen.

Ein Drittel der Schüler hat Erfahrungen mit Cybermobbing

Aufschlussreich war dabei, dass von 5518 befragten Jugendlichen zwischen elf und 18 Jahren 85 Prozent Zugang zum Internet über einen eigenen Laptop oder ein Smartphone haben. 21,8 Prozent der befragten Schüler gaben zu, eine der genannten Taten bereits begangen zu haben. 22,5 Prozent bezeichneten sich als Opfer solcher Handlungen. Dies entspricht in etwa anderen Studien, die davon ausgehen, dass ein Drittel aller Schüler Erfahrungen mit Cybermobbing macht. Als besonderes Problem nannte Festl dabei die „Privatheit“: Durch den unkontrollierten Umgang mit dem Netz wird das Drangsalieren nicht so leicht entdeckt. „Und es fehlen die nonverbalen Signale: Es rennt niemand weinend aus dem Klassenzimmer“, sagte sie. Zudem seien die Opfer im Gegensatz zu früher permanent erreichbar, im Netz sei es für Täter leichter, anonym zu bleiben – und das Publikum ist unbegrenzt.

„Die Anonymität gibt unterlegenen Schülern andererseits die Gelegenheit, zurückzuschlagen. Es geht manchmal um Rache“, erläuterte sie, warum Opfer gelegentlich zu Tätern werden. Auch zeigt die Studie, dass es nicht immer die Außenseiter in der Klasse sind, die gemobbt werden. Oft seien es gerade die beliebten Schüler, die zum Opfer würden. Oder sozial gut integrierte Jugendliche würden zum Täter, um ihre Stellung in der Klasse zu behalten.

Nicht überraschend ist die Tatsache, dass eine intensive Nutzung des Internets das Risiko erhöht und dass Erfahrungen mit traditionellem Mobbing das Verhalten beeinflussen. Auch zeigen Cybertäter wie auch -opfer ein anderes Onlineverhalten: Sie nutzen beispielsweise das „Sexting“, das Versenden von Dirty Talk oder von erotischem Bildmaterial, oder sie nehmen online Kontakt zu Fremden auf.

Viele Interviewpartner aus dem Täterkreis abgesprungen

„Ganz deutlich wurde, dass Cybermobbing mit der Einstellung der Peergroup, also dem Freundeskreis oder der Klasse, zu tun hat“, betonte Festl und wies eindringlich darauf hin, dass es nicht ausreiche, individuell mit Tätern oder Opfern zu arbeiten. Wie kann solche Arbeit aber aussehen? Wurde in den Anfangszeiten des Internets die Vermittlung von Medienkompetenz gefordert, geht es mittlerweile um eine sogenannte Medienwirkungskompetenz. „Viele Jugendliche sind sich nicht bewusst, was sie mit ihrem Verhalten anrichten“, sagte Ruth Festl. Man müsse ihnen die Frage stellen: „Will ich den anderen schädigen oder will ich vor meinen Freunden besser dastehen?“ Den Eltern gab sie den Rat, die Medienwirkungskompetenz ihrer Kinder durch das Gespräch zu stärken: „Alles, was die Zivilcourage fördert, ist wichtig.“

Im Frühjahr 2015 werden die Jugendlichen erneut befragt. „Wir hoffen, dass sich weiterhin viele beteiligen“, sagte Festl, die feststellen musste, dass vor allem aus dem Täterkreis viele Interviewpartner abgesprungen sind.