Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut IAO und die amerikanische Universität MIT wollen Ideen für Megastädte entwickeln: Wie soll dort der Verkehr funktionieren und mit welchen Autos? Baden-Württemberg fördert das Projekt mit 2,6 Millionen Euro.

Stuttgart - Weniger Autos auf den Straßen, kürzere Fahrzeiten, geringere Schadstoffemissionen, weniger Bedarf an Parkplätzen – welcher Großstadtbewohner wünscht sich das nicht? Erfüllt werden sollen solche utopisch erscheinenden Wünsche mit modernen Kommunikationstechniken und neuartigen Konzepten für die urbane Mobilität. Die mögen zwar noch visionär anmuten, gleichwohl sollen sie im Zuge des Projekts „Ambient Mobility Lab“ entwickelt werden, das jetzt in Stuttgart aus der Taufe gehoben wurde.

 

Das Vorhaben basiert auf einer ungewöhnlichen deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit, zu der sich zwei renommierte Forschungsinstitutionen zusammengetan haben: das US-amerikanische Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die deutsche Fraunhofer-Gesellschaft. Gefördert wird das Kooperationsprojekt vom Land Baden-Württemberg mit 2,65 Millionen Euro.

Ein wichtiger Hintergrund für die Neugründung ist der sich ändernde Umgang der Menschen mit der Mobilität. Vor allem in Städten büßt dabei das Auto zunehmend an Bedeutung ein: „Die jungen Leute haben heute eine andere Einstellung zum Auto als früher – die Emotionen haben sich verändert“, stellt Assaf Biderman fest, der stellvertretende Direktor des Senseable City Labs am MIT. Ein Indiz hierfür sei unter anderem, dass amerikanische Jugendliche den Führerschein heute deutlich später machen als noch vor ein paar Jahren. Zudem leben weltweit immer mehr Menschen in Städten, die immer größer werden: Bis zum Jahr 2050, so die Prognosen der Experten, wird die Welt von mehr als neun Milliarden Menschen bevölkert, von denen mehr als drei Viertel in Städten wohnen werden – und dort natürlich mobil sein wollen.

Die Suche nach dem zukunftsfähigen Auto

Diesen weltweiten Trend möchte Baden-Württemberg nicht verschlafen, auch wenn sich hierzulande wohl kaum solche Megastädte wie etwa in Asien entwickeln werden. Gleichwohl will man im Kernland des Automobils den Anschluss nicht verlieren, weshalb die Landesregierung zahlreiche Forschungsvorhaben insbesondere zur Elektromobilität fördert. Denn für Günther Leßnerkraus, den Leiter der Abteilung Industrie, Innovation und wirtschaftsnahe Forschung im Stuttgarter Wirtschafts- und Finanzministerium, ist klar, dass die Zukunft des Autos elektrisch sein wird – wobei er alle Aspekte des Elektroantriebs von Batterie über Brennstoffzelle bis zu Hybridformen aus Verbrennungs- und Elektromotor einbezieht.

Doch Leßnerkraus betont auch, dass Veränderungen am Antrieb allein nicht ausreichen werden, das Auto zukunftsfähig zu machen. Intelligente Systeme bis hin zu selbstfahrenden Autos werden immer mehr an Bedeutung gewinnen, wie auch die  Vernetzung und Kommunikation der Autos mit Lenkungssystemen und untereinander immer wichtiger werden. Nicht zuletzt müssen die Kraftfahrzeuge leichter werden. Kurzum: die Autos der Zukunft müssen anders gedacht und konstruiert werden. Und sie müssen in neue Mobilitätskonzepte eingebettet werden.

Um Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Land zu halten, sei es das Ziel Baden-Württembergs, zum Leitmarkt und Leitanbieter dieser neuen Mobilität zu werden, so Leßnerkraus. Daher wolle man auch Stuttgart als „internationales Zentrum für Mobilität institutionalisieren“. Ein ehrgeiziges Vorhaben, dessen erster Teil nun mit dem Ambient Mobility Lab verwirklicht wurde. Dessen erklärtes Ziel ist, „gemeinsam zukunftsfähige Mobilitätskonzepte zu entwickeln, zu bewerten und zur Anwendung zu bringen“. Bausteine dazu sind nicht nur neue Antriebskonzepte, sondern auch Teilungsmodelle wie Carsharing oder gemeinsame Taxifahrten. Auch das autonome Fahren gehört dazu, an dem nicht nur die großen Autohersteller und Autozulieferer, sondern auch der Daten- und Internetgigant Google arbeiten.

Individualisierte Autobauteile aus dem 3-D-Drucker?

Selbstfahrende Autos sind derzeit allerdings noch nicht das vorrangige Thema der Forscher am Ambient Mobility Lab. Sie wollen sich zunächst fünf Projekten widmen, die auf den bisherigen Arbeiten der beiden Partner aufbauen. So haben zum Beispiel die MIT-Forscher das New Yorker Taxisystem mit seinen rund 450 000 Fahrten am Tag näher untersucht. Und bei der Datenanalyse von jährlich rund 170 Millionen Taxifahrten herausgefunden, dass sich etwa 40 Prozent der Fahrten sparen lassen, wenn die Menschen mit gleichem Fahrtziel bereit sind, sich Taxis zu teilen. Wenn sie zudem fünf Minuten Wartezeit in Kauf nehmen, kann man gar auf die Hälfte der Fahrten verzichten. Im Projekt „Hub Cab“ sollen nun neue Konzepte für die gemeinsame Taxinutzung erarbeitet werden.

Noch weiter geht das Projekt „Zukünftiges Stadttaxi“ (Future Urban Taxi). Dabei soll das Transportmittel Taxi „völlig neu gedacht“ werden, und zwar mit elektrischem Antrieb und zudem individuell abgestimmt auf die Gegebenheiten in einzelnen Megastädten. So müssen etwa in Berlin Carsharing-Konzepte verstärkt berücksichtigt werden, in Kopenhagen die vielen Radfahrer oder in Singapur der dort häufige Regen.

Wie auch beim Projekt „Urban driven“ sollen dabei sogar neue, an die betreffende Stadt angepasste Fahrzeuge samt den dazu gehörigen Nutzungskonzepten entwickeln werden. Dabei spielen vom Miniautos bis zum Minibus Breite und Länge der Fahrzeuge eine wichtige Rolle, aber auch das an die jeweiligen kulturellen Vorlieben angepasste Design.

Da man bei diesen Entwürfen nach dem Baukastensystem vorgehen und normierte, in großer Stückzahl herstellbare Teile zusammensetzen will, könnten sich die Kosten in Grenzen halten – zumal die Forscher von den Möglichkeiten schwärmen, in Zukunft 3-D-Drucker zu nutzen, um die individuelle Ausgestaltung einzelner Komponenten zu ermöglichen.