Graphen, eine besondere Form von Kohlenstoff, verspricht neue Möglichkeiten in der Elektronik. Die EU will die Forschung nun mit einer Milliarde Euro voranbringen. Der Stuttgarter Physiker Jürgen Smet erklärt die Pläne im StZ-Gespräch.

Stuttgart – Eines der beiden Flaggschiff-Projekte, die von der EU ausgewählt wurden, ist dem ungewöhnlichen Material Graphen gewidmet. Graphen ist reiner Kohlenstoff, in dem sich die Atome in einer Ebene angeordnet haben. Es ist also eine extrem dünne Schicht, die besondere Eigenschaften aufweist. Im Dezember 2010 wurde für die ersten Arbeiten zu diesem Material der Nobelpreis vergeben. Der Physiker Jürgen Smet vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart wird im Graphen-Forschungsverbund mitarbeiten.
Herr Smet, welche Rolle spielen Sie und Ihre Stuttgarter Kollegen in dem Forschungsverbund?
In der Max-Planck-Gesellschaft sind wir der Grundlagenforschung verpflichtet. Wir erforschen grundlegende Eigenschaften von Graphen und untersuchen auch andere Materialien, die so geschichtet aufgebaut sind wie Graphen.

Was haben die andere Materialien, das Graphen nicht hat?
Graphen leitet sehr gut Strom und Wärme, es ist mechanisch stabil und doch beweglich. In Kombination mit anderen Materialien wollen wir zusätzliche Funktionen ermöglichen. Molybdändisulfit ist zum Beispiel ähnlich aufgebaut, aber ein Halbleiter. Wir können in diesem Material von Stromleitung auf Isolierung umschalten. Allerdings sind die alternativen Materialien noch nicht so gut untersucht wie Graphen.

Auf welche Anwendungen könnte Ihre Arbeit hinauslaufen?
Wir arbeiten bereits mit Bosch und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart zusammen. Bei Bosch interessiert man sich für neue Sensoren auf der Basis von Graphen, das Fraunhofer-Institut will die industrielle Herstellung von Graphen vorantreiben.

Welchen Vorteil haben Sie, nun in einem Milliardenprojekt mitzuarbeiten?
Wir erhoffen uns einen besseren Austausch und einen besseren Überblick. Der Ausgangspunkt war, dass Europa in der Graphen-Forschung zwar sehr gut dasteht, aber in Asien und Amerika mehr Patente angemeldet werden. Indem nun Industrie und Wissenschaft, Ingenieure und Naturwissenschaftler zusammenarbeiten, hoffen wir auf einen genügend großen Impuls, damit unsere Erkenntnisse auch in der Industrie ankommen.

Welchen Teil des Geldes werden Sie erhalten?
An dem Projekt sind 76 Forschungseinrichtungen und Firmen beteiligt, insgesamt sind es 120 Forschergruppen. Die große Summe werden sich also viele teilen. Wer wie viel bekommt, ist noch nicht klar. Ich rechne aber für die nächsten zweieinhalb Jahre mit etwa 300.000 Euro.