„Fifa 18“, „Assassin’s Creed: Origins“ und „Far Cry 5“: Auf der Gamescom in Köln werden vor allem Fortsetzungen von Videospielen präsentiert. Der Medienwissenschaftler Jochen Koubek erklärt im Interview, warum sich Publisher wie Electronic Arts und Ubisoft kaum noch an neue Spielkonzepte wagen.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)

Stuttgart - Die großen Publisher von Videospielen gehen kaum noch ein Risiko ein. Auf der Gamescom in Köln setzen Electronic Arts, Ubisoft und Nintendo vor allem auf Fortsetzungstitel. Mit „Star Wars: Battlefront 2“, „Assassin’s Creed: Origins“ und „Super Mario Odyssey“ richten sich die Konzerne in erster Linie an Fans bereits erfolgreicher Titel.

 

Wir haben Jochen Koubek gefragt, ob dabei nicht innovative Ideen auf der Strecke bleiben und kleine Entwicklerstudios überhaupt noch eine Chance auf dem Markt haben. Laut dem Professor für digitale Medien an der Universität Bayreuth trauen sich große Hersteller kaum noch an neue Titel heran – und kopieren einen Trend aus Hollywood.

Medienwissenschaftler Jochen Koubek Foto: privat

„Fifa 18“, „Destiny 2“ und „Far Cry 5“: Auf der Gamescom werden fast nur Fortsetzungen vorgestellt. Was ist da los?
Das liegt daran, dass die Produktionskosten mit den letzten Generationen der Spielekonsolen noch einmal deutlich gestiegen sind. Für große Hersteller ist es extrem riskant, neue Titel auf den Markt zu bringen. Das trauen sich die wenigsten. Wenn so ein neues Spiel floppt, dann gehen große Investitionen verloren. Stattdessen zieht man sich eher auf bekannte und bewährte Marken mit einer bestehenden Fan-Basis zurück. Das beobachten wir seit mehreren Jahren.
Über welche Kosten reden wir bei einem solchen Titel?
So ein AAA-Spiel kostet mittlerweile bis zu mehrere hundert Millionen Euro. Eines der teuersten Spiele war beispielsweise GTA V mit Entwicklungskosten von 265 Millionen Dollar. Es gibt nicht mehr viele Hersteller, die solche hohen Kosten aufbringen können. Vor allem die aufwändige Grafik frisst viel Budget, aber auch die Schauspieler und Synchronsprecher. Und natürlich das Marketing. Doch die Ausgaben lohnen sich in der Regel für die Hersteller. Computerspiele machen mittlerweile mehr Umsatz als die Musik- und Kino-Branche zusammen.
Aber bleiben frische Ideen da nicht auf der Strecke, wenn niemand mehr Mut zu neuen Spielen hat?
Für frische Ideen ist seit einigen Jahren eher die Indie-Szene verantwortlich, die mit viel kleineren Teams und sehr viel schneller innovative Titel auf den Markt bringt. Da sind oft spannende Spielkonzepte dabei. Die Grafik dieser Titel sieht dann vielleicht nicht so toll aus und es gibt keine Synchronisation in 15 Sprachen. Aber wenn die kleinen Entwicklerstudios selbst für die Werbung zuständig sind, dann tauchen sie meist nicht so richtig auf dem Schirm auf.
Wo sind die Indie-Hersteller auf der Gamescom?
Die Szene blüht und gedeiht und bedeutet sehr viel für das Medium, wird aber auf der Gamescom keine Rolle spielen. Die kleinen Entwickler können sich schlicht die Preise für das Marketing nicht leisten, was bei den großen Herstellern einen erheblichen Teil der Produktionskosten ausmacht. Das verzerrt auch ein wenig die Wahrnehmung. Das ist, als würde „Harry Potter“ den gesamten Buchmarkt und die Marvel-Blockbuster alle Kinofilme beschreiben.
Gibt es Erfolgsgeschichten bei Indie-Spielen?
Minecraft wäre ein Beispiel, das als Einzelprojekt begonnen hat und sich dann weltweit mehr als 180 Millionen Mal verkauft hat. Nachdem es Microsoft aufgekauft hat, ist es aber auch kein Indie-Spiel mehr. Meistens werden Hits eher im App-Store gelandet. Dort haben Titel wie „Clash of Clans“ und „Angry Birds“ dafür gesorgt, dass die Entwickler bekannt werden.
Haben Entwicklerstudios aus Deutschland da überhaupt noch eine Chance?
Deutsche Hersteller von Computerspielen konzentrieren sich eher auf den Browser. Es gibt nur wenige Entwickler, die große Erfolge für PC und Konsolen landen wie etwa Crytek und Yager. Ich empfehle den Entwicklern mehr Mut zu neuen Titeln, um das Medium weiter zu bringen. Man muss sich zwar um Fördermittel bemühen, aber kann auch seine Kreativität frei ausleben. Dann muss man auch nicht nur auf Grundlage von erfolgreichen Spielen im App-Store ein neues „Bejeweled“ oder „Candy Crush“ unterbringen, sondern kann seine eigenen Ideen verwirklichen.