Péter Nádas hat für das Marbacher Literaturmuseum Fotografien von H. G. Adler zusammengestellt.

Marbach - Der 1942 geborene ungarische Schriftsteller Péter Nádas gehört seit seinem 1986 erschienenen monumentalen Roman „Buch der Erinnerung“ (deutsch 1991) zu den international bedeutendsten Schriftstellern. Erlernt hat er aber das Handwerk des Fotografen, bis Mitte der sechziger Jahre hat er als Fotoreporter gearbeitet. Seine fotografischen Arbeiten sind inzwischen auch schon an verschiedenen Orten ausgestellt worden, etwa 2009 in der Galerie der Stadt Fellbach. Im vergangenen Jahr wurde Nádas vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach eingeladen, sich in den Nachlässen der Schriftsteller, die in den Katakomben der Schillerhöhe lagern, nach Fotos umzusehen, eine Werkgruppe davon auszuwählen und daraus eine Ausstellung für die „Fluxus“-Reihe zu gestalten. Nádas hat sich schließlich für H. G. Adler entschieden, die Schau mit dem Titel „Düsteres Idyll. Trost der deutschen Romantik“ wurde jetzt in Anwesenheit des Kurators im Literaturmuseum der Moderne eröffnet.

 

Ein Sachbuch hat den Romancier bekannt gemacht

Wer war Hans Günther Adler? Der Autor wurde 1910 in Prag geboren, wo er sich in einer doppelten Minderheitensituation befand: als Deutschsprachiger innerhalb der tschechischen Mehrheitsgesellschaft, als Jude innerhalb der deutschen Minderheit. Schon als Jugendlicher begann er Gedichte zu schreiben, studierte dann an der Prager Universität verschiedene geisteswissenschaftliche Fächer und promovierte 1935 in Musikwissenschaft mit dem Dissertationsthema „Klopstock und die Musik“.

Nach der Besetzung Böhmens durch Nazideutschland gelang es Adler nicht mehr, ins Ausland zu flüchten; er wurde 1941 zur Zwangsarbeit herangezogen und 1942 ins Konzentrationslager Theresienstadt eingeliefert. 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert, wo die meisten seiner Angehörigen ermordet wurden, in den letzten Kriegsmonaten schließlich in das KZ Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt verbracht und dort im April 1945 von der US-Armee befreit. Adler kehrte zunächst nach Prag zurück, emigrierte dann aber 1947 nach London, wo schon zwei seiner Bekannten aus den dreißiger Jahren lebten: Franz Baermann Steiner und Elias Canetti. 1998 hat das Marbacher Archiv diesem Triumvirat bereits eine Ausstellung gewidmet. In den Konzentrationslagern hatte sich Adler heimlich Notizen gemacht, die nach dem Krieg als Material für das Buch dienten, das 1955 auf Vermittlung von Theodor W. Adorno im Tübinger Verlag J. C. B. Mohr erschien und ihn berühmt machte: „Theresienstadt 1941–1945: Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft“.

Im Gegensatz zu diesem wissenschaftlichen Werk blieben Adlers Romane und Gedichte ein Geheimtipp, obwohl er mit Heinrich Böll, Ilse Aichinger und Günter Eich befreundet war. Nach seinem Tod 1988 kam sein Nachlass ins Marbacher Literaturarchiv. In ihm befinden sich etwa achttausend von Adler selbst aufgenommene Fotografien, aus denen Nádas fünfzig für seine Ausstellung ausgewählt hat.