Przemek Zajfert arbeitet nur mit Lochkameras. Nun kommen seine Aufnahmen ins Literaturhaus. Der Entstehungsprozess seiner Aufnahmen dauert Tage oder sogar Monate.

S-West/S-Mitte - Seine Galerie ist eine Schatzkammer. „Es ist ein wenig chaotisch hier“, sagt Przemek Zajfert, als habe er das Gefühl, sich dafür entschuldigen zu müssen. Dabei zeichnet dieses vermeintliche Chaos den experimentierfreudigen und nimmermüden Fotografen aus. Hunderte Kameras lagern in Zajferts Reich in der Gutbrodstraße. Abgesehen von jener in seinem Handy hat keine eine Linse oder einen Auslöser. Der 55-Jährige arbeitet mit selbst gebauten Lochkameras. Von heute Abend an sind seine Arbeiten im Literaturhaus zu sehen.

 

Was das Licht schuf, nimmt es auch rasch wieder

„Camera Obscura – Vermessung der Zeit“ ist der Titel der Ausstellung, der nicht viel besser gewählt hätte sein können. Die Zeit ist neben dem Licht Zajferts wichtigster Verbündeter. Der Entstehungsprozess seiner Aufnahmen dauert nicht Sekundenbruchteile, wie es digitale Fotografien der Fall ist, sondern Tage oder sogar Monate. So lange verharrt die Kamera mit dem schmalen Loch, durch das die Lichtstrahlen auf das integrierte Fotopapier fallen und auf diese Weise Bilder bannen, die faszinieren, weil sie statt Momentaufnahmen Verläufe zeigen. „Wenn du mit einer Digitalkamera knipst, hast du das Bild sofort im Kopf. Die Lochkamera führt den fotografischen Augenblick ad absurdum“, sagt Zajfert.

Das Negativ, das so entsteht, sollte besser vor der Sonne geschützt sein, denn was das Licht schuf, nimmt es auch rasch wieder. Zajfert scannt die Negative ein und invertiert sie. Als bleibende digitale Werke stehen sie auf seiner Internetseite, neben Aufnahmen aus der ganzen Welt. „The 7th Day“, der siebte Tag, heißt ein Mitmachprojekt, das der Fotograf vor einiger Zeit ins Leben gerufen hat. Für zehn Euro können Menschen ein Set mit Lochkamera und Anleitung erwerben, über mindestens sieben Tage hinweg ein eigenes Foto entstehen lassen, zurückschicken und Teil einer Gemeinschaft werden, die schon rund 1700 Foto-Kunstwerke geschaffen hat. Einige davon werden in der Ausstellung im Literaturhaus zu sehen sein, ebenso Beispiele aus einem zweiten, 2005 gestarteten Mitmachprojekt, bei dem sich Zajfert und sein Kollege Burkhard Walther von einem Mammutwerk des 2011 verstorbenen Künstlers Roman Opalka haben inspirieren lassen. Die fotografische Aufbereitung von Opalkas Verschwinden und eine dem Fotopionier Eadweard Muybridge nachempfundene Installation sind ebenfalls Teil der Werkschau.

Die Lust am Ausprobieren

Spielereien nennt Przemek Zajfert diese Elemente, die viel über ihn und die Lust am Ausprobieren sagen. Als Kind infizierte er sich in einer Dunkelkammer mit dem Fotografenvirus. „Ich sah das rote Licht, ich roch die Chemikalien. Das war pure Magie“, erinnert er sich. Und die Magie blieb, verließ ihn auch nicht, als der gebürtige Breslauer 1985 nach Stuttgart kam, schon damals in den Westen der Stadt, der zu seinem Hafen wurde. „Hier kann ich auftanken, hier kann ich Energie tanken.“

Häufig aber ist er unterwegs und präsentiert sich und seine Arbeiten auf den Straßen der Republik. Die Fußgängerzonen sind sein Verkaufsraum, nicht die Galerien. Für Przemek Zajfert ist das gleichermaßen Fluch und Segen, Druck und Antrieb. „Die Menschen auf der Straße sind sehr anspruchsvoll“, sagt er. „Du musst ihnen immer wieder etwas Neues bieten.“