Der oberschwäbische Fotograf Wolf-Dietmar Unterweger hat die untergehende Welt der kleinen Bauern dokumentiert. Mehr als tausend Bilder zeigen Mensch und Vieh, Haus und Hof und hartes Tagewerk.

Stuttgart - Wettergegerbte Gesichter, von harter Arbeit gezeichnete Körper, ein Zugtier im Joch, Interieurs der Armut. Das sind die Motive der Fotowelt des Wolf-Dietmar Unterweger. Geflickt, gebeugt, bröckelnd. Nie scheint die Sonne. Aber diese stolze Haltung, dieser intensive Ausdruck der Augen, bei Mensch und Tier! Der Betrachter kann den Blick nicht abwenden. Man will sich nur noch hinsetzen und blättern und schauen.

 

Wolf-Dietmar Unterweger wohnt in Wain im Landkreis Biberach. In den 80ern hat der promovierte Chemiker seine Stelle in einer Pharmaziefirma gekündigt, um fortan als freier Fotograf den Lebensunterhalt zu verdienen. Der Mann geht gern aufs Ganze. Aber die Zeiten waren gut.

Unzählige Bildbände und Kalender haben Unterweger und seine Frau Ursula erfolgreich auf den Markt gebracht. Sein Hühnerkalender ist ein viel geliebter Bestseller geworden. Doch seine eigentliche Berufung war die fotografische Dokumentation des kleinbäuerlichen Lebens, dessen letzte Spuren Unterweger auf zigtausende von Dias bannte. Die Aufnahmen entstanden manchmal spontan, oft aber erst nach einer langen Bekanntschaft, einer langsamen Annäherung des Fotografen an seine „Modelle“.

Keine der Aufnahmen ist gestellt

Es ist ein Vermächtnis geworden. Niemand spannt heute mehr seine Kuh vor Egge oder Pflug. Die alten Höfe sind abgerissen. Eine Tierhaltung in diesen alten schmutzigen Ställen hat die EU längst verboten. Niemand weint diesen Verhältnissen im Ernst eine Träne nach. Oder?

Warum berühren uns diese Bilder einer verlorenen tausendjährigen landwirtschaftlichen Kultur so? Sie sind authentisch. Keine der Aufnahmen ist gestellt. Auch wenn die Hose fleckig ist, die Bluse löcherig, die Zähne Ruinen sind, strahlen die Personen eine unveräußerbare Würde aus. Das tun im Übrigen auch die Gebäude. Dabei ist es kein pittoresker Verfall unter südlicher Sonne. Hier herrscht die Wahrheit des oberschwäbischen Winters. Jetzt hat der 70-Jährige sein gigantisches Lebenswerk vorgelegt. Es heißt schlicht „Die Bauern“ und umfasst drei großformatige Bände mit zusammen 1632 Seiten. Seine mehr als tausend Fotografien zeigen Porträts von Bäuerinnen und Knechten, anrührende, auch witzige Szenen mit Hühnern, Katzen und Ziegen und immer wieder opulente Seiten und Doppelseiten mit Bauerngärten, Gebäuden, architektonischen Details, selten Landschaften, oft treiben Schneeflocken über die Bilder.

Möglich geworden ist dieses Mammutwerk, das dieser Tage im Stocker Verlag (Graz) erschienen ist, nicht zuletzt durch die Leser der Stuttgarter Zeitung. Angeregt von einem StZ-Artikel über Wolf-Dietmar Unterweger im Mai 2012 hatten sich genügend Interessenten gemeldet, die sich verpflichtend bereit erklärten, ein Exemplar der „Bauern“ zu kaufen. Daraufhin wagte sich der Verlag an die Produktion. Jede Aufnahme ist mit Ort und Datum dokumentiert.

Nicht nur ein Blick zurück

Die Texte hat Unterweger selber geschrieben. Dabei ist es nicht geblieben beim Blick zurück. Angeregt von der Lektüre des Weltagrarberichts entwickelt er seine Vision einer Landwirtschaft. Die industrielle Nahrungsmittelproduktion sei gescheitert, resümieren die UN-Experten sinngemäß. Nur kleinbäuerliche Landwirtschaft könne den Planeten ernähren, wenn sie sich dabei der Umwelt angepasster, Ressourcen schonender Methoden bediene. Diese Idee entfaltet Unterweger im Detail. Doch man muss ihm bei seiner Argumentation (soll man besser sagen Vision?) nicht unbedingt folgen, um die vorliegenden Bände zu schätzen.

Denn es ist ein großer Schatz geworden, eine tiefe Fotoschatztruhe, ein echtes Erbstück. Wir stöbern darin und finden und staunen und können es einfach nicht weglegen. Denn es nicht nur so, dass wir diese Bilder anschauen. Diese Bilder schauen auf uns zurück.