Was der britische Fotokünstler Edmund Clark ans Licht bringt, ist bekannt und dennoch schwer fassbar: Er zeigt die Mechanismen einer Bespitzelungs- und Überwachungsmaschinerie, die nach den Attentaten des 9. Septembers in Gang kam – und bis heute wirksam ist.

Mannheim - Zeitgenössische Kunst gilt unter anderem dann als gelungen, wenn sie auch außerhalb ihrer eigenen Kreise relevant ist. Der britische Fotograf Edmund Clark erfüllt diesen Anspruch mit seinem Projekt „Terror Incognitus“ so eindringlich, dass seine Bilder Gefahr laufen, zur Nebensache zu werden. Die Hauptsache ist das Thema. „Terror Incognitus“ handelt von Folter bis zum Tod, von illegalen Entführungen und Inhaftierungen, der Einschränkung von Bürgerrechten – und zwar nicht verbrochen von fernen Schurkenregimen, sondern vom sogenannten freien Westen, also in unser aller Namen.

 

Betritt man den Mannheimer Ausstellungsraum Zephyr, der die erste Schau Clarks in Deutschland zeigt, muss man unvermeidlich als Staatsbürger und Mitmensch auf die Fakten reagieren, die der Fotograf und sein Co-Rechercheur Crofton Black zusammengetragen haben. Erkennbar wird das Getriebe einer Höllenmaschine, die als Reaktion auf 9/11 in Gang kam. Bis heute sitzen in Guantánamo Dutzende Unschuldiger, die zwar nie Terroristen waren, aber seit vielen Jahren als solche behandelt werden. Kein Land der Welt will sie mehr haben, weil diese Männer womöglich eines Tages Rache üben könnten für die Zerstörung ihrer Existenz.

Um diesen schwierigen, spröden Stoff unter die Leute zu bringen, braucht es eine Form. Clark und Black haben sie bravourös entwickelt. Dabei ist ihr breiter Bildungshintergrund hilfreich – Edmund Clark hat außer Bildjournalismus Geschichte und Französisch studiert, Crofton Black ist promovierter Philosoph, Spezialgebiet Hermeneutik, also Zeichendeutung. Passender geht es kaum. Denn nur indirekt lassen sich die Schrecken des „War on Terror“ abbilden. Die Profis unter den folternden Demokraten blieben in der Tarnung der Geheimdienste.

Schönheit und Schrecken treffen aufeinander

Nur Trottel wie die zivil angeheuerten Piloten von Entführungsflugzeugen sind so dumm, vom Hotel aus daheim anzurufen – und bieten damit Ansatzpunkte für den Zugriff von Clark und Black. Clark fotografiert den Pool des Hotels, an dem die Flieger sich erholten, Black stöbert Protokolle von Gerichtsverhandlungen und Untersuchungsausschüssen auf. Diese Schriftstücke sind oft großflächig geschwärzt; auf Exponat-Format vergrößert, ergeben sich abstrakte Kompositionen von tiefgründiger Symbolik und Abstrusität.

Die versteckten, unsichtbaren Bedeutungen hinter Clarks Bildern werden in der Mannheimer Ausstellung mittels kleiner Broschüren beigesteuert. Die Exponate bleiben unbeschriftet. Ihre Vieldeutigkeit spiegelt und steigert das Labyrinthische des Themas noch einmal, zusammen mit zunächst rätselhaften Linien am Boden. Diese stellen sich als Grundriss eines „Control Order House“ heraus. Das waren nach britischem Recht Häuser mit unbekanntem Standort, wo Terrorverdächtige irgendwo in Großbritannien ohne Anklage festgehalten werden konnten. Clark lichtete das Innere eines solchen Hauses ab mit Hunderten banaler Schnappschüsse, die nun wiederum in endlosen Reihen von Billig-Prints an die Wände einer Ausstellungskoje gepinnt sind.

Im Kontrast dazu stehen viele großformatige, handwerklich perfekte Lichtbilder, souverän komponiert, makellos präsentiert. Man kann sich in der Schönheit afghanischer Berge verlieren, aber auch im schrundigen Schrecken von Kabuler Schrottplätzen, wo die CIA geheime Folterzentren betrieb. Direkt daneben glänzt das propere Weiß einer Fassade, hinter der eine Fluggesellschaft residiert, die illegal Entführte in die Geheimgefängnisse transportierte.

Bis zum 29. Mai; C 4.8 in Mannheim, täglich außer Mo 11–18 Uhr