Die Gewichte in der Solarbranche verschieben sich. Die Fertigung von Zellen und Modulen haben in Deutschland offenbar keine Chance, sagen Experten.

Stuttgart - Fotovoltaik ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte.“ Der Satz passt nicht in die Zeit, Wolfgang Weger wiederholt ihn dennoch. Der Partner und Solarexperte der Münchner Unternehmensberatung Oliver Wyman hat ihn vor zwei Jahren gesagt, heute fügt er hinzu: „Nur nicht für die deutschen Unternehmen.“ Dabei denkt er vor allem an die Hersteller von Solarzellen und -modulen. In den Jahren vor der Krise hat der Solarmarkt einen geradezu kometenhaften Aufstieg erlebt. Heute tummeln sich 200 Hersteller und 5000 Installateure und Handwerker mit zusammen 100 000 Beschäftigten auf dem Markt, der 2011 ein Volumen von 19 Milliarden Euro hatte. Rund die Hälfte davon entfällt auf die Anbieter von Silizium, Zellen, Modulen und Wechselrichtern. 2012 ist es massiv runtergegangen.

 

Die tiefe Krise hat viele Verlierer hervorgebracht. Kaum einer der deutschen Anbieter, die einst Pioniere einer Zukunftsbranche waren, wächst und erwirtschaftet noch gute Gewinne, bei vielen haben die wiederkehrenden Verluste die Verschuldung in die Höhe getrieben, etliche sind pleite, andere verkauft, und wieder andere mussten sich bereits oder wollen sich aus dem Markt verabschieden. Selbst Technologiekonzerne wie Bosch streichen die Segel. Auch die chinesischen Herausforderer wurden in dem Strudel mitgerissen. Es sind die Überkapazitäten am Markt und der rasante Preisverfall von 66 Prozent für Module innerhalb der vergangenen sechs Jahre, der immer mehr Unternehmen in den Überlebenskampf zwingt.

Der Solarmarkt eine Erfolgsgeschichte? Weger denkt langfristig. Und da wird die Sonne als Energiequelle ihren Platz finden, da sind sich die Auguren einig. Die US-Marktforscher Lux Research rechnen mit einem jährlichen Wachstum des Fotovoltaikmarktes von 10,5 Prozent; 2018 soll demnach ein Volumen von 155 Milliarden Dollar (120 Milliarden Euro) erreicht werden. Auch die Marktforscher von IHS sind zuversichtlich: In diesem Jahr soll der weltweite Fotovoltaikzubau bei 13 Prozent liegen. Doch die Sonne strahlt über Ländern wie den USA, China, Japan und Indien. Die Bedeutung des alten Kontinents Europa, der 2011 für 70 Prozent des Weltsolarmarktes stand, wird 2014 auf 37 Prozent sacken, sagt IHS voraus.

Verlierer Zelle und Modul

Dies bedeutet nichts Gutes für die meist mittelständischen hiesigen Unternehmen. „Auf der Zell- und Modulseite wird keiner der heute aktiven deutschen Hersteller wirklich wettbewerbsfähig sein“, sagt Weger. Es sei denn, er findet einen starken (ausländischen) Partner, schränkt er ein. Wer einen Blick auf die Statistik der führenden Solarhersteller in Deutschland wirft, sieht, welch trauriges Omen dies ist. Denn von den 200 Fotovoltaikerstellern, die der Bundesverband Solarwirtschaft gezählt hat, stellen 50 entweder Zellen oder Module her, oder sie sind – wie Bosch Solar Energy und Solarworld – in beiden Bereichen tätig. Die StZ-Grafik zeigt: Verlierer werden Bundesländer wie Thüringen und Sachsen sein, denn vor allen dort sitzen die Zell- und Modulhersteller.

Die Solarfirmen mussten erkennen, dass Größe kein Garant für Erfolg ist: Solarworld, einst Börsenliebling, ist auch wegen des angekündigten Kapitalschnitts heute eher zum Anlegerschreck mutiert. Und die Mitarbeiter von Bosch Solar können nach dem angekündigten Ausstieg der Stuttgarter aus dem Geschäftsfeld bestenfalls auf einen Käufer hoffen. Die wesentlich kleinere Sunways hat bereits einen Partner gefunden; der Zellenhersteller aus Konstanz gehört zur chinesischen LDK. Doch Sicherheit sieht anders aus. Der Konzern, der rote Zahlen schreibt, verhandelt mit Banken und staatlichen Stellen über eine Restrukturierung ihrer Verbindlichkeiten.

Maschinen für die Chinesen

Doch das drohende Aus in Deutschland für Zelle und Modul, die heute als Commodity – also als Allerweltsprodukt – angesehen werden, bedeutet nicht zwangsweise das Aus für die gesamte Branche. Erfolgreich schlägt sich der vor allem im Südwesten angesiedelte Maschinenbau (siehe Grafik); 100 deutsche Unternehmen fertigen Anlagen und Systeme für Solarfirmen. Selbst chinesische Solarfirmen setzen auf Maschinen made in Germany. Im vergangenen Jahr erzielten die hiesigen Unternehmen allein rund 70 Prozent ihres Solarumsatzes im Fernen Osten. Ihr weltweiter Marktanteil liegt bei traumhaften 55 Prozent. Solche Spitzenwerte bedeuten freilich nicht, dass der Solar-Maschinenbau von der Krise verschont geblieben ist. Im Gegenteil: die gigantischen Überkapazitäten bei Modulen haben zu einem Investitionseinbruch geführt: um 50 Prozent sackte der Branchenumsatz der Maschinenbauer 2012 ab.

Manz in Reutlingen war sogar überdurchschnittlich betroffen: um fast drei Viertel auf 16 Millionen Euro sank der Solarumsatz; in der Folge rutschte das Unternehmen in die roten Zahlen. Die Ulmer Centrotherm musste Mitte 2012 Insolvenz beantragen. Vor wenigen Tagen hat das Amtsgericht Ulm das Insolvenzverfahren wieder aufgehoben. Centrotherm gilt als saniert. Und auch Schmid in Freudenstadt hat anscheinend massive Einbußen; Zahlen nennt Karan Bhalla, zuständig für die Entwicklung der Geschäftsfelder, nicht.

Dennoch dürfte die Krise die Branche nicht in die Knie zwingen. Dies liegt daran, dass die meisten Maschinenbauer mehrere Standbeine haben, erläutert Florian Wessendorf, der im Branchenverband VDMA Geschäftsführer für die Fotovoltaik-Produktionsmittel ist. Beispiel Manz: die Reutlinger konnten ihre Einbußen bei Solar zumindest teilweise durch die Bereiche Display (Umsatzzuwachs 2012: plus 13 Prozent auf 111 Millionen Euro) und Batterie (plus 53 Prozent auf 15 Millionen Euro) ausgleichen. Chancen schreibt Wessendorf den Unternehmen auch zu, da sie auf dem Weltmarkt zu Hause sind. So konnten schon Leuchtturmprojekte in neuen Solarregionen wie der Türkei, dem Mittleren Osten, Südafrika oder Südamerika realisiert werden. Chancen bieten auch Innovationen. Zumindest die Asiaten können westlicher Technik bis jetzt nichts entgegensetzen, obwohl die Chinesen entsprechende Ambitionen erkennen lassen, so Wessendorf.

Das Herz kommt aus Deutschland

Auch für die Hersteller von Wechselrichtern herrschte in den vergangenen Jahren eitel Sonnenschein. Wechselrichter wandeln den von den Zellen erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um; sie gelten als das Herz einer Solaranlage. Nicht zuletzt der Wechselrichter ist entscheidend, wenn es um die Effizienz einer Solaranlage geht. SMA Solar Technology in Niestetal bei Kassel (Umsatz 2012: 1,5 Milliarden Euro, gut 5000 Mitarbeiter) hatte quasi eine Alleinstellung am Markt. Bei 40 Prozent lag der weltweite Marktanteil noch 2010; seitdem ging es aber abwärts – zuletzt sollen es noch 25 Prozent gewesen sein, haben die Marktforscher von NPD Solarbuzz errechnet, denn immer mehr Wettbewerber drängen auf den Markt. Aufgeholt hat etwa der US-Konkurrent Power One, der vor Kurzem von der Schweizer ABB übernommen wurde. „Power One genießt hohes Ansehen als Innovator mit Fokussierung auf das attraktivste und intelligenteste Solarprodukt“, sagte Joe Hogan, der Vorsitzende der ABB-Konzernleitung damals. „Wir sehen darin einen Zukunftsmarkt“, fügt ein ABB-Sprecher hinzu, obwohl der Preisverfall auch vor diesem Feld nicht haltmacht. Quasi als Antwort auf die Marktveränderungen will SMA, die sich die Mehrheit am chinesischen Konkurrenten Jiangsu Zeversolar New Energy gesichert hat, 2013 rund 120 Millionen Euro in die Forschung stecken.

Das Geschäft der Projektierer

Auch wenn man es nicht glauben mag: Es gibt noch Solarunternehmen, die hauptsächlich in Deutschland tätig sind und im vergangenen Krisenjahr den Gewinn sogar gesteigert haben: Projektierer wie SAG Solarstrom in Freiburg oder Wirsol in Waghäusel gehören dazu. Beispiel SAG: Bei einem Umsatz von knapp 190 Millionen Euro haben die Freiburger ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen von 8,9 Millionen Euro ausgewiesen, dies sind mehr als doppelt so viel wie im Jahr zuvor (3,8 Millionen Euro). Die SAG macht ihr Geschäft nah am Endkunden. Das Unternehmen plant und baut Fotovoltaikanlagen national und international in allen Größen – Private werden (über Installationspartner) genauso bedient wie Investoren. Teilweise werden die Anlagen auf eigene Rechnung errichtet und dann an Investoren verkauft, manchmal betreibt SAG sie selbst und speist den Strom ins Netz ein. Und da SAG alle Komponenten auf dem Weltmarkt einkauft, kurbelt der massive Preisverfall das Geschäft sogar noch an. Auch die Fernüberwachung von Solaranlagen ist ein interessantes Geschäftsfeld

Ganz ungeschoren kam aber auch SAG nicht durch die Krise; die Belegschaft sank von 260 Beschäftigten (Ende 2011) auf nun 200. Die Zukunft sieht die Sprecherin positiv. Zwar sei der Markt umkämpft, Hersteller würden um Installateure buhlen, aber SAG setzt auf die 15-jährige Erfahrung als Systemhaus. Schließlich wisse man, welche Module von zweifelhafter Qualität sind, und man wisse, welche Komponenten besonders gut zusammenpassen. Eine so umfangreiche Datenbank habe kein Konkurrent. Allerdings ist das Planungsgeschäft kein Garant für Geschäftserfolg. Präsenz in den weltweiten Wachstumsmärkten und damit eine Mindestgröße sei nötig, sagt Solarexperte Weger. Wichtig sei es, ein internationales Vertriebsnetz aufzubauen, doch das kostet Geld. Doch gerade in der Solarbranche geben sich die Banken zugeknöpft.

Aufgabenverteilung in der Fotovoltaik

Zellen
Die Solarzelle ist ein elektrisches Bauelement, das Sonnenlicht direkt in elektrische Energie umwandelt. Grundlage für die meisten Solarzellen ist Silizium, das zweithäufigste Element in der Erdkruste. Solarzellen haben eine (fast) quadratische Form mit einer Kantenlänge, die zwischen 125 und 156 Millimetern liegt.

Module
Ein Modul besteht aus einer Vielzahl von Solarzellen, die in einem Aluminiumrahmen nebeneinander angeordnet sind und mit einer Glasplatte abgedeckt werden. Dies soll sie vor Umwelteinflüssen wie etwa Hagel schützen. Die zu Modulen zusammengefügten Solarzellen – auf dem Dach etwa als größeres Viereck zu erkennen – sind elektrisch miteinander verbunden. Selbst kleinste Solaranlagen bestehen aus mehreren Modulen.

Wechselrichter
Sie gelten als das Herzstück einer Fotovoltaikanlage. Wechselrichter wandeln den solar erzeugten Gleichstrom in netztauglichen Wechselstrom um. Damit sind sie entscheidend für die Stromausbeute einer Solaranlage, aber nicht alleinentscheidend. Auch die Ausrichtung der Module ist wichtig.

Projektierer
Als Dienstleister erarbeiten sie individuelle Lösungen für die Kunden – sowohl für Private, aber vor allem Solarparks für Investoren. Dabei geht es nicht nur um den optimalen Standort und Ausrichtung einer Anlage. Geplant werden auch die Komponenten. Denn nicht alle Module und Wechselrichter von allen Herstellern harmonieren gut miteinander, waszu einer niedrigeren Stromerzeugung führen würde.