Wer seine CO2-Bilanz verbessern will, sollte sich vor zu heftiger körperlicher Anstrengung hüten. Denn zu viel Anstrengung schadet der Umwelt – nicht nur beim Radfahren.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Wer in den USA längere Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt, wird seit jeher argwöhnisch beäugt. In einem Land, in dem es für praktisch jedes menschliche Bedürfnis ein Drive-in- oder Drive-through-Angebot gibt, ist es schließlich vollkommen überflüssig, sein Fahrzeug zu verlassen oder sich zum Zwecke der Fortbewegung körperlich anzustrengen. Manche bezweifeln ohnehin, dass Radfahren der Umwelt nützt. Vor einigen Jahren verstieg sich ein Angehöriger der republikanischen Partei in den USA gar zu der Behauptung, ein kräftig strampelnder Radfahrer belaste das Klima stärker als ein Autofahrer, der sich faul im Sitz seines SUV räkelt.

 

Das ist natürlich kompletter Unsinn, wie der Urheber dieser These nach einiger Zeit selbst einräumen musste. Doch völlig klimaneutral ist die Radelei eben auch nicht. Denn ein Mensch, der sich körperlich anstrengt, hat einen höheren Kalorienbedarf als einer, der nur still dasitzt. Und die Produktion der zusätzlichen Nahrung, die er vertilgt, ist mit der Emission von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan verbunden – vor allem, wenn der Pedalritter viel Fleisch isst.

Welchen Einfluss hat der Fast-Food-Konsum?

Nach Berechnungen des US-Klimaforschers Daniel Thorpe belastet ein Radfahrer, der sich wie ein Durchschnittsamerikaner ernährt, die Atmosphäre pro Kilometer mit 65 Gramm CO2. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie kommt auf 36 Gramm. Ob der niedrigere Wert auf den im Vergleich zu den USA geringeren Fast-Food-Konsum der hiesigen Bevölkerung zurückzuführen ist, bleibt offen. Zum Vergleich: die 2016 in Deutschland neu zugelassenen Pkw emittierten pro Kilometer knapp 130 Gramm – jedenfalls auf dem Papier. Bei den in den USA beliebten Spritschluckern können es aber auch schon mal 300 Gramm sein.

Eins zu Null also fürs Fahrrad. Allerdings besteht überhaupt kein Anlass, sich auf diesem Erfolg auszuruhen. Denn bei genauerer Betrachtung sind Zweifel angebracht, ob die traditionelle Antriebstechnik der Zweiräder auf der Höhe der Zeit ist. Das Problem ist der Motor – also der Mensch, der in die Pedale tritt. Der hat nämlich einen ziemlich lausigen Wirkungsgrad von 25 Prozent. Jede Nahrungskalorie wird nur zu einem Viertel in Bewegung umgesetzt, die übrigen drei Viertel in Wärme – was man sehr gut an den vielen durchgeschwitzten Radtrikots erkennen kann. Gemessen an der Energieeffizienz müsste der Mensch also eher verboten werden als der Verbrennungsmotor, dessen modernste Vertreter immerhin auf 40 Prozent Wirkungsgrad kommen. Zum Glück gibt es eine Alternative: den Elektromotor, der mehr als 90 Prozent der zugeführten Energie in Bewegung umsetzt und so die Klimabilanz des Radfahrens aufpoliert. Ein E-Bike, das mit dem bundesdeutschen Strommix geladen wird, emittiert nach den Berechnungen der Gesellschaft für Sonnenenergie nur sechs Gramm Kohlendioxid pro Kilometer – bei einem höheren Ökostromanteil entsprechend weniger.

Die Gefahren des Denkens

Wer seine CO2-Bilanz weiter verbessern will, sollte sich angesichts des katastrophalen Wirkungsgrads unseres Antriebssystems generell vor zu heftiger körperlicher Anstrengung hüten. Auch unnötiges Nachdenken ist strikt zu vermeiden, weil ein schwer arbeitendes Gehirn einen erheblichen Anteil der Stoffwechselenergie beansprucht. Zudem steigt bei zu intensiven Denkprozessen das Risiko, dass man am Ende auf dumme Gedanken kommt. Welch ein Segen, dass uns digitale Assistenten zunehmend von geistiger Arbeit entlasten! Leisten Smartphones am Ende vielleicht einen größeren Beitrag zum Klimaschutz als E-Bikes? Höchste Zeit, dass das mal jemand ausrechnet.

Wir für unseren Teil bleiben ganz ruhig auf unserem Stuhl sitzen und denken an nichts. Auch das Schreiben und Lesen von Texten wie diesem können Maschinen längst ohne unser Zutun und mit maximaler Energieeffizienz erledigen – selbstverständlich mit 100 Prozent Ökostrom.