Was bedeutet das niederländische Wahlergebnis für Europa? Und warum gilt der Rechtspopulist Wilders als Verlierer, obwohl die Partei Parlamentssitze dazugewonnen hat? Fragen und Antworten.

Den Haag/Berlin - Die Niederlande haben gewählt, und die EU atmet auf. Klicken Sie hier, um zum News-Blog zur Wahl zu gelangen.

 

Doch gibt es wirklich Anlass für Optimismus in Brüssel und Berlin, weil der Rechtspopulist Geert Wilders nicht gewonnen hat? Es war ja nur die erste Runde des Superwahljahres 2017. Fragen und Antworten im Überblick:

Was bedeutet das niederländische Wahlergebnis für die EU?

Für die Europäische Union ist der Wahlsieg des amtierenden Regierungschefs Mark Rutte eine riesige Erleichterung. Ruttes Rivale Geert Wilders hatte sich im Wahlkampf für den Nexit - den EU-Austritt der Niederlande - ausgesprochen. Wäre der Rechtspopulist an die Macht gekommen, hätte dies die vom Brexit-Votum schwer verunsicherte Union völlig aus dem Gleichgewicht bringen können. „Ein Votum für Europa, ein Votum gegen Extremisten“, ließ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mitteilen.

Ist das Thema Nexit mit der Wahl wirklich vom Tisch?

Zumindest für die nächsten vier Jahre. Wilders’ PVV war die einzige einflussreiche Partei in den Niederlanden, die sich dafür ausgesprochen hatte, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen. Alle anderen bezeichnen sich als pro-europäisch.

Wilders’ Partei hat Parlamentssitze dazugewonnen. Warum gilt sie trotzdem als Verliererin?

Vor allem wohl wegen der geschickten Kommunikation der politischen Gegner. Die PVV hat zwar monatelang die Umfragen angeführt, schon in den Tagen vor der Wahl lag aber die VDD von Premier Rutte wieder vorn.

Wird Wilders künftig in der europäischen Öffentlichkeit keine Rolle mehr spielen?

Das ist nicht zu erwarten. Der 53-Jährige gilt neben der Französin Marine Le Pen als eine Lichtgestalt der europäischen Rechtspopulisten. Hinzu kommt: Er und seine Anhänger können unter Berufung auf das Wahlergebnis zu Recht behaupten, dass sie nicht schwächer, sondern stärker geworden sind.

Der deutsche NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt kommentierte: „Bleiben wir doch bei den Tatsachen. Fakt ist, dass die euroskeptische Partei von Wilders trotz oder vielleicht gerade wegen der hohen Wahlbeteiligung (...) mindestens fünf Mandate dazugewinnen konnte und jetzt zweitstärkste Kraft in Den Haag ist.“

Könnte die Wahl wegweisend für die Wahlen in Frankreich und Deutschland sein?

Dies hoffen zumindest die Pro-Europäer. Das Ergebnis der Parlamentswahl in den Niederlanden sei ein gutes Vorzeichen, kommentierte beispielsweise der europäische Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. „Nach der österreichischen ist das schon die zweite Wahl der letzten Zeit, in der sich die Hoffnungen autoritärer Populisten auf einen Sieg zerschlagen haben.“

Rutte hatte zuletzt gesagt, die Wahlen in seiner Heimat seien das Viertelfinale im Kampf gegen gefährlichen Populismus. In Frankreich stünde dann das Halbfinale (Präsidentenwahlen im April/Mai) und in Deutschland das Finale (Bundestagswahl im September) an.

Ist es nach der Wahl in Holland weniger wahrscheinlich, dass Le Pen in Frankreich einen Erfolg feiert?

Politikwissenschaftler wie Robert Kaiser von der Universität Siegen warnen vor zu großer Euphorie. Wegen der Skandale um den Kandidaten François Fillon gebe es keine konservative Alternative zu Le Pen. „Zudem ist die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs aktuell bei weitem nicht so positiv wie in den Niederlanden“, sagt er. Dass Le Pen in die Stichwahl kommt, gilt allen Umfragen zufolge als sicher.

Was bedeutet das Wahlergebnis für die AfD in Deutschland?

Es ist es zumindest ein Dämpfer. Ein Wahlsieg des Partners Wilders hätte der Partei Auftrieb geben können. Die AfD kämpft derzeit mit innerparteilichen Konflikten und mit sinkenden Umfrageergebnissen, auch wegen des Aufschwungs der SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz. In den Bundestag einziehen wird die AfD aller Wahrscheinlichkeit nach aber trotzdem, und sich damit endgültig fest in der deutschen Politik etablieren.

Im niederländischen Wahlkampf spielte der Streit um Auftritte türkischer Regierungspolitiker in Europa eine große Rolle. Könnte das in Deutschland ähnlich werden?

Ruttes gutes Abschneiden wird auch auf seine harte Haltung im Streit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zurückgeführt. In der CDU unter Kanzlerin Angela Merkel und in der CSU könnte dies als Erfolgsrezept Nachahmer finden. Schon jetzt schlägt Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier schärfere Töne an und droht Erdogan mit einem Einreiseverbot. Aber Merkel bleibt auch auf die Türkei angewiesen, vor allem in der Flüchtlingspolitik. Wenn es vor der Bundestagswahl am 24. September zu einem massiven Anstieg des Zuzugs über die Balkan-Route kommen würde, hätte sie im Wahlkampf ein Problem. Und die AfD könnte sich die Hände reiben.

Wie geht es jetzt weiter mit der niederländischen Europapolitik?

Da Ruttes sozialdemokratischer Koalitionspartner noch stärkere Verluste erlitt als er selbst, muss er sich nach neuen Verbündeten für die Bildung einer Regierung umschauen. Es stehen lange und schwierige Koalitionsverhandlungen bevor, da für eine stabile Regierung mindestens vier Parteien notwendig sind. Fest steht, dass Rutte deutlich nach rechts gerückt ist, um eine Abwanderung seiner Wähler in Richtung Wilders zu verhindern. In Brüssel wird damit gerechnet, dass sich dies auch auf Standpunkte der Niederlande in der EU-Politik auswirken könnte - zum Beispiel in der Migrations- und Asylpolitik.