Wenn die 16. Bundesversammlung am Sonntag einen Nachfolger für Bundespräsident Joachim Gauck wählt, kann Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf eine große Mehrheit bauen. Ganz einfach wird der Start ins neue Amt dennoch nicht.

Berlin - Wer kennt ihn nicht, den kleinen Mann in blauer Hose und gelbem Schutzhelm, der einem unablässig einbläut, dass mit Fleiß, Teamgeist und gutem Willen jedes noch so komplizierte Problem zu bewältigen ist. Bob der Baumeister heißt diese Kunstfigur, und ihr Wahlspruch gleicht dem des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama: „Yes we can!“ – Ja, wir schaffen das!

 

Ähnliche Appelle und Signale will auch Frank-Walter Steinmeier aussenden. „Mutmacher“ will er als künftiger Bundespräsident sein. Das hat er zuletzt immer wieder gesagt. Brücken will er bauen, erklären, wie der Kitt beschaffen ist, der „Jung und Alt, Stadt und Land, Links und Rechts, Analog und Digital“ zusammenhält. So jedenfalls hat er seine Ziele zuletzt im bayerischen Landtag beschrieben, als er sich dort als Kandidat vorstellte. Aus dem Maschinisten der Macht, der er einst als Kanzleramtschef von Gerhard Schröder (SPD) war, soll also nun Frank, der Baumeister, werden, der das brüchige Wertefundament der Gesellschaft ausbessert.

Steinmeier weiß, dass er es zu Beginn schwerer haben wird als sein Vorgänger, der ostdeutsche Pastor Joachim Gauck. Der schwebte wie eine Lichtgestalt ins Schloss Bellevue, und es reichte zunächst vollkommen, dass er sein Lied der Freiheit in allen denkbaren Versionen weitersang. Steinmeier kann aber nicht, wie Gauck, mit seinem alten Ego in die neue Rolle schlüpfen. Er darf nicht ganz der Alte bleiben, und zwar aus zwei Gründen.So wird die Union kritisch prüfen, ob er in internationalen Fragen Kanzlerin Angela Merkel Konkurrenz macht. Werden doch auch einige enge Mitarbeiter mit dem 61-Jährigen vom Auswärtigen Amt ins Schloss Bellevue umziehen. Staatssekretär Stephan Steinlein soll Chef des Bundespräsidialamtes werden, Kultur-Abteilungsleiter Andreas Görgen begleitet ihn ebenso wie sein Redenschreiber Wolfgang Silbermann. Auch der Chef des Planungsstabes Thomas Bagger wird Steinmeier folgen.

Steinmeier muss sich auf dem internationalen Parkett vorsichtig bewegen

Doch dies dürfte nicht in erster Linie der außenpolitischen Ertüchtigung des Präsidialamtes dienen. Steinlein etwa zählt schon seit 17 Jahren zu Steinmeiers Crew. Er folgt ihm nicht als Diplomat, sondern als Alter Ego. Auch Görgen und Silbermann waren schon in anderen Funktionen und vor allem auf der Parteischiene für Steinmeier tätig. In all diesen Fällen geht es also um Vertrauen und Verlässlichkeit, nicht um eine Fortsetzung von Diplomatie mit anderen Mitteln.

Andererseits würde es angesichts der internationalen Verwerfungen, die Steinmeier als Minister mit der Überschrift „Welt aus den Fugen“ versah, absurd anmuten, wenn ausgerechnet ein Ex-Außenminister solche Themen künstlich meiden würde. Deshalb suchen Steinmeier und seine Vertrauten nach Wegen, seine profunden Erfahrungen als Chefdiplomat mit den Anforderungen an einen Bundespräsidenten zusammenzuführen.

Sein SPD-Parteibuch darf keine Rolle spielen

Sehr viel mehr als Gauck muss Steinmeier zudem darauf achten, nicht als Wahlkämpfer der SPD wahrgenommen zu werden – immerhin war er einmal Kanzlerkandidat. Dabei hilft ihm, dass er mit der Rolle des Parteitribuns stets fremdelte. In München sagte Steinmeier zu den Abgeordneten: „Neutral in Bezug auf Parteien werde ich sein, da kann ich sie beruhigen. Aber ich werde nicht neutral zur Demokratie stehen. Ich werde parteiisch sein für die Demokratie, für unsere Art, Politik zu machen, auch für die Meinungsbildung durch Parteien.“Deutlich schimmerte da bereits das Leitmotiv durch, dass seine Amtszeit prägen dürfte. Wenn die Welt komplizierter werde, so Steinmeier, „dann können doch die Lösungen nicht einfacher geworden sein.“ Deshalb wolle er „als Bundespräsident ein Gegengewicht zur Tendenz der grenzenlosen Vereinfachung sein.“ Weitaus emsiger als Gauck will der 61-Jährige deshalb nach Möglichkeiten suchen, abseits der großen Reden mit Menschen direkt in Kontakt zu treten. Er mache sich im Zeitalter des Internets Sorgen „um eine Gesellschaft, die sich zunehmend in Echokammern zurückzieht, wo viel zu viele Menschen in ihren Blasen nur noch mit sich selbst und ihresgleichen kommunizieren“.

Wie wird er mit Donald Trump umgehen?

Spannend wird vor diesem Hintergrund sein Umgang mit Donald Trump sein, dessen Gebaren aus Steinmeiers Sicht das Wertegerüst des Westens erschüttert und den er als Außenminister einen „Hassprediger“ schimpfte. Wie es aussieht, will Steinmeier dieser Auseinandersetzung keineswegs aus dem Weg gehen. Vor Kurzem sagte er, man müsse unter Demokraten schon noch „an dem Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Fakt und Lüge, festhalten. Wer das aufgibt, der rührt am Grundgerüst der Demokratie“. Klare Worte an Trumps Adresse sind das, und man wird sehen, ob sie ihm, wenn er gewählt ist, noch ähnlich lupenrein über die Lippen kommen.

Seine Crew bastelt an Dialogformen, die helfen sollen, die Menschen aus ihren „Echokammern“ zu locken. Seine vielen Kontakte zu Schriftstellern, Schauspielern, Musikern und Regisseuren könnten helfen. Interessant wird auch sein Umgang mit den sozialen Medien werden. Schon als Außenminister erkannte er die Vorzüge von Facebook. Wenn er die Jüngeren erreichen will, das weiß er nicht nur von seiner inzwischen erwachsenen Tochter Merit, muss er diese Wege gehen. Deshalb wird Frank-Walter Steinmeier wohl gleich zu Beginn seiner Amtszeit für eine Premiere sorgen. Er dürfte der erste Präsident mit Facebook-Account werden. Das Präsidialamt, ein großer Chatroom der Demokratie. In die Richtung könnte es gehen.