Die Esslinger Verlage und Buchhändler entdecken Fotobücher und auch Comics als wachsenden Markt. Auf der Frankfurter Buchmesse versuchen sie in diesem Segment Fuß zu fassen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - D as Bild gewinnt an Macht. Künstlerisch wertvoll sind die bunten Comic-Bände; Sammlerstücke, die jene Erwachsenen kaufen, denen die Eltern eingebleut haben, sie sollen keinen solchen Schund lesen, sondern etwas Gescheites. Das ist eine Antwort auf die Frage zur Zukunft des Buchhandels, die jedes Jahr neu auf der gerade zu Ende gegangenen Frankfurter Buchmesse gestellt wird.

 

Aber wo zum Henker ist Band vier? Das haben schon viele Anne Thies gefragt, die den Verlag Cross Kult in Messehalle 3.0 verstärkt. Der begabte Esslinger Zeichner Felix Mertikat hat mit den drei Bänden der phänomenalen Comicserie: „Kupferherz“ die Leser verrückt gemacht, und noch immer ist der letzte Band nicht erschienen. Das Fernsehen hat den Mann verpflichtet, weswegen der zuletzt geplante Erscheiungstermin Weihnachten 2014 schon wieder verschoben wurde. „Im zweiten Quartal des nächsten Jahres“, verspricht die kleine dunkelhaarige Frau.

Trotzdem ist es in der Frankfurter Comic- und Manga-Ecke ruhiger als in den vergangenen Jahren. Das Comic-Podium ist an eine finanzkräftige Firma vermietet, und nicht nur Uwe Lochmann von der Esslinger Sammlerecke, dem größten Comic-Laden Europas, fragt sich, was das soll und wie es in Frankfurt weiter gehen soll. Seine historischen Sigurd-, Nick- und Prinz- Eisenherz-Comics hat er in seinen Antiquariaten in Esslingen und Koblenz gelassen. Er verkauft auf der Messe Mangas, japanische Comics, die es in allen Genres gibt, und die auch von immer mehr deutschen Künstlern beziehungsweise Künstlerinnen gezeichnet werden.

Ein Kostüm trägt auch der Bratwurst-König

Man sieht auch weniger Kostümierte in der sonst wuselige Ecke zwischen Perry-Rhodan-Stand und Splitter-Verlag. Es fehlen die so genannten Cos-Player, die in Frankfurt darum wetteifern, wer sich das schönste Manga-Kostüm geschneidert hat. Felipe Tavares, der Pressesprecher von Cross Kult, findet die Argumentation der Messeleitung merkwürdig, die ihm gesagt hat: Eben weil die Comics jetzt als normale Buchform angekommen seien, bräuchten sie keine Förderung und kein Comic-Podium mehr. Leise schwingt bei Felipe Tavares der Vorwurf mit, dass es nur ums Geld gegangen sei.

Aber um nichts anderes geht es in der Frankfurter Buchmesse, der größten Zusammenkunft der Verlage weltweit. Um das Geschäft, um Lizenzen, um Druckaufträge, um Buchverträge, um Aufträge für Titelbilder. Das Geld treibt die Literaturagenten mit den starren Blicken und den schnellen Schritten an, die stets einen Rollwagen mit ihrer Unterlagen hinter sich herziehen; das Geld jagt die Besucher über die Rolltreppen und die Gänge der Frankfurter Messehallen wie gehetztes Wild.

Der Mann im bunten Kostüm dagegen hat alle Zeit der Welt und wirkt ebenso fremd wie die einsame Schulklasse neben ihm. Was die Kinder nicht wissen - er arbeitet im Auftrag der Regierung. Er ist kein Cos-Player, sondern der Thüringer Bratwurst-König, dessen Hofstaat jedermann stets eine Handbreit Kohle unter der Wurstgrill wünscht.

Das Bild gewinnt an Macht

Das Bild gewinnt an Macht, das spürt auch der Kunstbuchverlag Hatje Cantz in Ostfildern, der einen Zuwachs bei Fotobüchern verzeichnet. „Der Zugang zum Bild ist ein anderer geworden“, stellt der Kölner Sammler Damian Zimmermann fest. In Köln legt man sich am Wochenende beim Einkaufsbummel ein neues Fotobuch zu wie früher ein neues Kleid. Die Bücher liegen aufgeschlagen in der Wohnung, und die Besitzer bietet sie beim Tee ihren Gästen zur Ansicht an. Zimmermann plaudert mit der Verlagspressesprecherin Meike Gatermann, denn Hatje Cantz hat die Fotobücher als schnell wachsendes Segment entdeckt, das getragen wird von einer immer größer werdenden Zahl von internationalen Sammlern und Kennern. „Es gibt jetzt sogar ein Fotobuch-Museum in Köln“, sprudelt Zimmermann, der auch den „Fotobuch-Blog“ bespielt, eine Plattform, die Hatje Cantz den Sammlern anbietet, um Bücher zu rezensieren und Künstler aufzuspüren.

Mit Bildern arbeitet auch der Wasmuth-Verlag in Tübingen. Er zeigt in einem Bildband über den Architekten Martin Elsaesser historische Fotografien der Esslinger Südkirche. Elsaesser ist zur Zeit eine Ausstellung in Augsburg gewidmet.

Geht es tatsächlich nur ums Geld? Nora Frisch vom Esslinger Drachenhausverlag bemüht sich weiter um die deutsch-chinesische Kulturvermittlung. Sie sitzt allein in ihrem kleinen Stand und hat unter anderem ein chinesisches Kinderbuch im Angebot, das in langsamen Bildern eine Mädchen-Geschichte aus der Kulturrevolution erzählt. Zusätzlich zu ihrer Reihe, die Europäern zeigt, wie man sich in China benimmt, plant sie jetzt eine Edition, die all jene Fettnäpfchen beschreibt, in die man als Chinese in Deutschland treten kann.

In einer Welt, die von Satelliten beinahe auf den Millimeter genau vermessen ist, setzt der Reiseführerverlag Mair-Dumont auch auf die Phantasie. Er baut seiner Reihe mit Reiseabenteuer von namhaften Autoren weiter aus und hat einen neuen und absolut sehenswerten Bildband über die deutschen Naturparks im Programm. Mair-Dumont bespielt auf der Buchmesse einen der größten Stände. Darauf ist auch ein Restaurant integriert, in dem man sich ausruhen kann, wenn um 16 Uhr die Messe ihren Höhepunkt erreicht.

Gegen 17 Uhr flaut der Trubel ab, werden an den Ständen weitere Sektflaschen geöffnet, ohne deren Inhalt das Räderwerk der Messe ins Stocken geraten würde. Gelächter brandet auf, die Anspannung fällt von Protagonisten des Buchhandels ab. Junge Männer boxen sich mit den Fingerknöcheln an, „Das war heute ein gutes Ding“, bekräftigen sie sich, als sie in einen der zahllosen Shuttle-Busse steigen, der sie ins Messeparkhaus am Rebstock bringt, wo es über Rolltreppen in mehrere Parkebenen und -häuser geht. Die Etagen sind mit Ziffern und Kennbuchstaben von A bis C versehen, doch kann es passieren, dass man vor lauter Bilder die Schilder nicht mehr sieht, die einen zum Auto geleiten. Wo zum Henker ist B 1?