Die Ex-Justizministerin ist beim Präsidenten in Ungnade gefallen. Er rächt sich für Gerüchte über sein Eheleben.

Paris - Ganz unten ist sie jetzt. Der Gönner hat sie fallenlassen. Staatschef Nicolas Sarkozy will vom ehemaligen Star seiner Regierung nichts mehr wissen. Vergeblich versucht Rachida Dati, ihn ans Telefon zu bekommen. Die 44-Jährige ist im Elysée-Palast Persona non grata, die politische Laufbahn der ehemaligen Justizministerin am Ende. "Sie ist total verbrannt, der Präsident möchte nie mehr mit ihr sprechen", sagt ein Berater Sarkozys. Der Elysée hat der Europaabgeordneten sämtliche Privilegien gestrichen. Chauffeure und Leibwächter haben den Hut genommen. Dati hat Dienstwagen und Diensthandy zurückgeben müssen. So groß ist die Verärgerung des Staatschefs, dass er nicht einmal sagen mag, was sie hervorgerufen hat.

Während er schweigt, reden seine Vertrauten. Sarkozys Anwalt Thierry Hertzog spricht von "womöglich sogar gezielt gestreuten Gerüchten, die den Präsidenten und seine Gemahlin destabilisieren sollten". Gemeint sind jene haltlosen, von der ausländischen Presse Anfang März dankbar aufgegriffenen Twitter-Botschaften, wonach das Eheglück der Sarkozys bröckele, sich der Staatschef mit der Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno vergnüge und die Gattin Carla mit dem Sänger Benjamin Biolay. Der Präsidentenberater Pierre Charon glaubt gar an ein Komplott.

Noch deutlicher äußern sich die Zeitungen "Journal du Dimanche" und "Canard enchaîné". Aus einem dem Präsidenten vorliegenden Geheimdienstbericht gehe hervor, dass Dati in die Gerüchte um Sarkozys angebliche Ehekrise verstrickt sei, sie womöglich selbst gestreut habe, berichten die Blätter. Die Beschuldigte hat am Mittwoch zwar Stein und Bein geschworen, dass an den Gerüchten, sie habe etwas mit den Gerüchten über Sarkozys Eheleben zu tun, nichts dran sei, aber das findet kein Gehör.

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Vor einem Jahr noch stand Dati als Vorzeigepolitikerin im Rampenlicht, galt als lebender Beweis dafür, dass man als eines von elf Geschwistern einer Einwandererfamilie erfolgreich nach den Sternen greifen kann. Im Mai 2007 war die in einem Vorstadtghetto aufgewachsene Tochter eines marokkanischen Maurers und einer algerischen Hausfrau an die Spitze des Justizministeriums gerückt. Als Untersuchungsrichterin hatte sie erstmals auf sich aufmerksam gemacht.

2002 hatte sie als Beraterin des damaligen Innenministers Sarkozy in die Politik gewechselt und ihm im Präsidentschaftswahlkampf 2007 als Sprecherin zur Seite gestanden. Die emanzipierte Muslimin gewann in jenen Jahren nicht nur die Sympathien des Staatschefs, sondern auch die seiner damaligen Gattin Cécilia. Dati verbrachte die Ferien mit Sarkozys, ging mit Cécilia shoppen.

An der Spitze des Justizministeriums erwies sich die Politikerin dann als gar zu hemdsärmelig. Ihre Launen vergraulten gut ein Dutzend Mitarbeiter. Sie brachte mit rigorosen Strafrechtsverschärfungen weite Teile der Richterschaft gegen sich auf. Als auch Sarkozy auf Distanz ging, gab sie auf, wechselte im Juni 2009 widerwillig ins EU-Parlament. Ein Intermezzo sollte es werden, hoffte sie. Wie wenig Dati die neue Tätigkeit zusagte, wurde deutlich, als die Abgeordnete am Handy verriet, sie komme in Straßburg vor Langeweile fast um. Und nun ist die einstige Hoffnungsträgerin endgültig in Ungnade gefallen. Wobei Sarkozy den Fall wohl nicht zu den Akten legen kann. Nach dem Abgang der Einwanderertochter böte es sich an, Frankreichs unruhiger Vorstadtjugend jemand Neuen zu präsentieren, der ihr signalisiert: Hier können es Einwandererkinder bis nach ganz oben bringen.