Frankreichs Grüne suchen vergeblich nach einer Person, die sie aus ihrem Stimmungstief herausholt. Es fehlt die breite politische Basis.

Paris - Gut zwei Dutzend altersschwache Atomkraftwerke, wachsende Feinstaubbelastung der Luft, Pestizide selbst im Frühstücksmüsli – an ökologischen Herausforderungen fehlt es in Frankreich nicht. Doch die Grünen des Landes können daraus kein Kapital schlagen. Während es Alexander Van der Bellen in Österreich fast zum Präsidenten gebracht hat und Winfried Kretschmann Baden-Württemberg regiert, drohen Frankreichs Grüne in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Gerade mal 15 000 Französinnen und Franzosen haben sich in die Listen von „Europe Écologie – Les Verts“ (EE-LV) eingetragen, um in einer Urwahl einen Präsidentschaftskandidaten zu bestimmen. An diesem Mittwoch gibt die Umweltpartei das Ergebnis bekannt.

 

Lieber die Sozialisten wählen als die Grünen

Die beiden Bestplatzierten sollen Anfang November in einer Stichwahl gegeneinander antreten. Doch nicht einmal der langjährige Vorzeige-Grüne Daniel Cohn-Bendit misst der Kandidatenkür besondere Bedeutung bei. Er hat der Zeitung „Libération“ anvertraut, er werde bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 für den Sozialisten Emmanuel Macron stimmen, damit der Konservative Nicolas Sarkozy und die Rechtspopulistin Marine Le Pen den Sieg nicht unter sich ausmachten.

Dabei haben die EE-LV-Anwärter auf die Nachfolge des sozialistischen Staatschefs Francois Hollande durchaus Qualitäten. Die Favoritin Cécile Duflot (41) kann als Ex-Parteichefin und Ex-Ministerin mit politischer Erfahrung punkten. Der Europa-Abgeordnete Yannick Jadot (49) hat sich als Kampagnen-Leiter von Greenpeace-France hervorgetan. Aber das ändert nichts daran, dass die Partei in den vergangenen Jahren vor allem durch Grabenkämpfe auf sich aufmerksam gemacht hat. Zumal an der Frage, in wieweit ein Grüner mit den regierenden Sozialisten zusammenarbeiten darf und soll, schieden sich die Geister. So mancher langjähriger Umweltaktivist ging frustriert von Bord.

Umweltschutz gilt als regionale Aufgabe

Zu den letzten, die gegangen sind, zählt Emmanuelle Cosse, bis Februar dieses Jahres EE-LV-Vorsitzende. Sie hat in der Regierung als Wohnungsministerin angeheuert. Anders als die Parteifreunde in Deutschland oder Österreich haben Frankreichs Grüne auch nicht zur Mitte ausgegriffen, um ihre politische Basis zu vergrößern. Umweltschutz und Sozialismus gehen für sie noch immer Hand in Hand. Erschwerend kommt hinzu, dass im zentralstaatlich organisierten Frankreich Umweltschutz traditionell als regionale, wenn nicht lokale Aufgabe angesehen wird – und damit als zweitrangig. Für die Mobilisierung breiter Wählerschichten sind das denkbar schlechte Voraussetzungen.

Der Abenteurer winkt ab

Eine Zeitlang hatte es noch so ausgesehen, als sollten die Grünen rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen. Die Partei machte Anstalten, Nicolas Hulot als Präsidentschaftskandidaten aufzubieten. Der populäre Naturschützer und Gründer einer nach ihm benannten Stiftung, der den Franzosen in einer Fernsehserie die Verletzlichkeit des Planeten vor Augen geführt hat, hätte laut Umfragen mit zehn Prozent der Stimmen rechnen können. Für die Grünen, deren Spitzenkandidatin Eva Joly 2012 mit 2,3 Prozent vorlieb nehmen musste, wäre es ein großer Schritt nach vorne gewesen. Doch Hulot winkte im letzten Moment ab. Der Abenteurer, der auf Expeditionen durch Packeis, Wüsten und Regenwald enormen Mut bewies, hat vor der Aufgabe kapituliert, Frankreichs Grüne auf erfolgversprechenden Kurs zu bringen.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.deutsch-franzoesischer-gipfel-gruene- wollen-ihre-macht-buendeln.a185d4da-f8e3-4581-9b4f-178723bbbf74.html