Premier Manuel Valls hat in Frankreich die Vertrauensabstimmung über seinen Reformkurs nur knapp gewonnen. In Berlin kommt der Gegenwind von der anderen Seite: Die französische Regierung soll mehr sparen. Doch die wiegelt ab.

Paris - Der Mann mit der markanten Stimme, den nicht minder markanten Gesichtszügen und der Sturmhaarfrisur redet Klartext – was nicht heißt, dass Manuel Valls die Botschaft nicht in gefällige Worte kleiden würde. Anders als zu Wochenbeginn, als Frankreichs Premier in klassenkämpferischer Attitüde vor die Nationalversammlung trat, um die Gunst über den Spar- und Reformkurs der Regierung erboster linker Genossen warb und knapp die Vertrauensabstimmung für sich entschied, heißt es diesmal, das Vertrauen der Deutschen gewinnen. Das verlangt ein Mindestmaß an Diplomatie.

 

Auch die Deutschen sind über Frankreichs Regierungspolitik wenig erbaut. Was den Rebellen vom linken Flügel der Sozialistischen Partei zu weit geht, greift aus Sicht des rechtsrheinischen Nachbarn zu kurz. In Berlin geht die Sorge um, dass Frankreichs Verschuldung außer Kontrolle gerät, der EU eine zweite Finanzkrise beschert, den Euro zerstört. Paris wird die von Brüssel gesetzte Nachfrist nicht einhalten, das Haushaltsdefizit nicht bis 2015 auf drei Prozent senken. Bis 2017 will man das Stabilitätsziel nun erreichen. Die Gesamtschulden des Landes sind auf 97 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen, des in einem Jahr Erwirtschafteten.

Valls jammert über die französische Protestkultur

Bevor Valls am Montag nach Deutschland reist, will er Klarheit schaffen, wie weit er den Gastgebern entgegenkommen wird und vor allem, wo das Entgegenkommen endet. Es endet recht schnell. „Bis 2017 wird Frankreich 50 Milliarden Euro einsparen, davon bereits im nächsten Jahr 21 Milliarden“, fasst der Premier zusammen, was in den vergangenen Monaten in Paris beschlossen und verkündet worden ist, und fügt hinzu: „Mehr ist nicht drin, wir wollen unser Sozialsystem nicht kaputt machen.“ Auch bei den Reformen gedenkt Valls nicht groß nachzulegen. Er zählt auf das, was bereits auf den Weg gebracht wurde. Da ist der „Pakt der Verantwortung“, der für die Unternehmen des Landes Steuererleichterungen von insgesamt 41 Milliarden Euro vorsieht. Hinzu kommt die Gebietsreform, die Kosten sparende Reduzierung von 22 auf 13 Regionen, oder der zurzeit von Notaren und Gerichtsvollziehern heftig bekämpfte Versuch, reglementierte Berufe dem freien Wettbewerb auszusetzen. Und die Anregungen des Unternehmerverbands Medef, dem Wirtschaftswachstum zuliebe die Sonntagsarbeit auszuweiten, die 35-Stunden-Woche sowie Feiertage abzuschaffen, Ausnahmen beim Mindestlohn zuzulassen, das Arbeitsrecht zu vereinfachen? In der Nationalversammlung hatte der Premier sie am Montag als pure Provokation vom Tisch gefegt. Jetzt lässt er durchblicken, dass er, der ja als Sozialdemokrat des rechten Parteiflügels einst selbst die 35-Stunden-Woche infrage gestellt hat, die Vorschläge so aberwitzig nicht findet. Allein an der Durchsetzbarkeit scheint er zu zweifeln. Auf die in der französischen Gesellschaft tief verankerte Protestkultur verweist er, beklagt, dass „immer ein Teil dagegen ist, lieber protestiert als mitmacht“.