Die angebliche Liebesaffäre des französischen Staatschefs François Hollande schadet jetzt auch dem Land. Sein politischer Neustart wird wohl stecken bleiben.

Paris - Hollandes Lebensgefährtin im Hospital“, meldet das amerikanische „Times Magazin“ auf seiner Website. Sollte die Schauspielerin Julie Gayet (41), mit der Frankreichs Staatschef (59) angeblich eine Affäre hat, jetzt womöglich auch noch liebeskrank in die Klinik eingeliefert worden sein? Am Ende in dieselbe, in der bereits Valérie Trierweiler (48) liegt, die laut dem französischen Klatschmagazin „Closer“ hintergangene Lebensgefährtin des Präsidenten, die Première Dame des Landes? Das dann doch nicht. Mit „Lebensgefährtin“ ist Frankreichs First Lady gemeint, die auf der anderen Seite des Atlantiks mangels Trauschein ohne diesen Titel auskommen muss.

 

Die gleichermaßen elegante wie eigenwillige frühere Fernsehjournalistin befindet sich nach Auskunft der Zeitung „Le Parisien“ mit „niedrigem Blutdruck und tieftraurig“ in ein Pariser Krankenhaus unter ärztlicher Beobachtung. Auslöser des Stimmungs- und Blutdruckabfalls sei ein Geständnis des Präsidenten gewesen, der den Seitensprung unumwunden eingeräumt habe, erfährt der Leser.

Die Firstlady ist in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Foto: POOL
„Ein Desaster“ sei diese immer neue Folgen zeitigende Fortsetzungsgeschichte vom Seitensprung des Staatschefs, hat Jean François Copé am Montag gesagt, der gern dick auftragende Chef der rechtsbürgerlichen UMP. Doch so sehr der Oppositionsführer auch zur Übertreibung neigt, diesmal hat er recht. Desaströs ist die Affäre zunächst für den Präsidenten selbst, dessen bereits schwer lädiertes Ansehen weiter Schaden genommen hat. Wieder einmal sei der Eindruck entstanden, François Hollande habe die Dinge nicht im Griff, werde von ihnen überrollt, sagt Jérôme Fourquet, Direktor des Meinungsforschungsinstituts Ifop. Sollte sich die von Hollande nicht dementierte Affäre bestätigen, werde sie „Image und Status des französischen Präsidenten auf das Niveau eines von Paparazzi verfolgten Varietésängers oder Fernsehdarstellers herabziehen“, prophezeit der Soziologe.

Dabei hatte es seit langer Zeit erstmals wieder gut ausgesehen für den Staatschef. Anfang des Jahres hatte er einen neuen Anlauf genommen, um der Wirtschaftskrise, zumal der Arbeitslosigkeit Herr zu werden. Er werde einen Pakt mit den Unternehmern schließen, die nun einmal die Einzigen seien, die  dauerhaft Arbeitsplätze schaffen könnten, hatte Hollande gesagt. Freund und Feind horchten auf. Debatten entbrannten, ob der bisher nicht eben durch reformerische Kühnheit aufgefallene Sozialist nach Art eines Gerhard Schröder oder Tony Blair zum sozialliberalen Erneuerer mutiert sein könnte. Eine Menge Vorschusslorbeeren erntete Hollande, aber auch Kritik aus dem eigenen linken Lager. Auf der für diesen Dienstag anberaumten Halbjahrespressekonferenz wollte der Präsident Details zum mutmaßlichen Kurswechsel nachreichen. Das kann Hollande zwar nach wie vor tun. Allein, das eigentliche Thema dürfte bei der feierlichen Zusammenkunft im Élysée-Palast ein anderes sein.

Spekulationen gibt es bereits seit einem Jahr

Fabrice Rousselot, Chefredakteur der Hollande gewogenen linken Tageszeitung „Libération“, sagt dem Präsidenten peinliche Fragen voraus. Wie geht es mit Valérie Trierweiler weiter, der Lebensgefährtin, der Première Dame, lautet eine davon. Dass der Staatschef versprochen hat, er werde anders als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy Privates und Politik strikt trennen, macht die Sache nicht einfacher. Den Präsidenten erwarte „ein knallharter Schlagabtausch“, prophezeit ein Minister.

Zu Spekulationen, die durch die Pariser Gerüchteküche wabern, ist am Montag eine neue hinzugekommen. Gegner Hollandes, heißt es, hätten veranlasst, dass die Seitensprung-Reportage just vor der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz erschienen sei. Richtig ist, dass der Argwohn, Hollande und Gayet könnten etwas miteinander haben, schon seit gut einem Jahr in der Welt ist und die Schauspielerin im März versucht hat, den Verdacht mit einer Anzeige gegen unbekannt zu entkräften.

Taugt Hollande noch als Krisenmanager?

Die Geruchte um Gayet gibt es schon lange. Foto: AP
Wie es sich für eine in erotischen Angelegenheiten freizügige Nation gehört, hebt zwar kaum jemand den moralischen Zeigefinger. Laut einer Ifop-Umfrage sind 77 Prozent der Bevölkerung der Ansicht, mit wem der Staatschef seine Nächte verbringe, sei Privatsache. Aber die Franzosen ahnen auch, dass ein in Liebesdingen aufs Äußerste geforderter Hollande noch weniger zum Krisenmanager taugt als einer, der privat den Rücken frei hat. Wo Hoffnung aufgekommen war, macht sich Ernüchterung breit.

Dass das Ganze in absehbarer Zeit gnädigem Vergessen anheimfällt, ist nicht zu erwarten. Dafür ist die von „Closer“ reich bebilderte Geschichte zu amüsant: ein französischer Staatschef, der sich nach Einbruch der Dunkelheit den Trenchcoat überstreift, auf den Motorroller steigt und mit tief ins Gesicht gezogenem Helm zur Geliebten braust, die in der Pariser Zirkusstraße (Rue du Cirque) wohnt. Ein einsamer Leibwächter, der sich nicht nur um die Sicherheit des Präsidenten kümmert, sondern dem Paar am nächsten Morgen auch noch frische Croissants bringt. Der Rückweg mit obligatem Zwischenhalt in einer Tiefgarage, wo Hollande in eine Limousine steigt, um standesgemäß motorisiert im Élysée-Palast einzutreffen. Soweit dies nicht zutreffen sollte, ist es zumindest gut erfunden.

Der auf den ersten Blick beruhigende Befund des Meinungsforscher, wonach 84 Prozent der Franzosen ihre Meinung über den Staatschef im Licht der jüngsten Vorfälle nicht geändert haben, taugt auf den zweiten nicht mehr zum Sedativum. Vier Fünftel des Volkes waren schließlich schon vor der „Closer“-Affäre unzufrieden mit dem Präsidenten. Wenn derselben Erhebung zufolge nun 13 Prozent ihre Wertschätzung im Licht des mutmaßlichen Seitensprungs revidieren, sprich: wohl nach unten korrigiert haben, lässt dies für den unbeliebtesten Staatschef der 1958 gegründeten V. Republik Schlimmstes befürchten.

Politisch würde sich eine Schadensersatzklage kaum auszahlen

Zumal sich für ihn am Montag auch noch Nebenkriegsschauplätze aufgetan haben. Sicherheitsexperten bemängeln, dass der Herr über Frankreichs Atomwaffen des Nachts in Begleitung eines einzigen Leibwächters umhergefahren ist. Der Ort des Techtelmechtels ist ins Zwielicht geraten. An der Haustür prangt der Name „Ferracci“. Der Träger desselben wohnt mittlerweile zwar woanders, als wegen dunkler Geschäfte mit der korsischen Mafia zu 18 Monaten Haft verurteilter Dunkelmann taugt er aber allemal dazu, die Pariser Gerüchteküche zu befeuern.

Hollandes Anwalt Jean-Pierre Mignard zögert, die Justiz einzuschalten. „Wir prüfen sämtliche Möglichkeiten, eine Entscheidung ist noch nicht gefallen“, sagte Mignard. Der Staatschef selbst hatte zuvor, unterstützt von Politikern aller Parteien, eine Verletzung seiner Privatsphäre beklagt und mit juristischen Schritten gedroht. So Erfolg versprechend eine Schadenersatzklage nach übereinstimmender Ansicht französischer Rechtsexperten indes auch wäre, politisch dürfte sie sich nicht auszahlen. Das Medieninteresse an einem solchen Prozess wäre enorm, das Privatleben des Präsidenten würde noch mehr öffentlich breitgetreten.

Präzedenzfälle gibt es nicht. Sicherlich hat so mancher Amtsvorgänger Hollandes sein Liebesglück ebenfalls außerhalb von Ehe oder Lebensgemeinschaft gesucht. Auch ist es nicht das erste Mal, dass „Closer“ das Privatleben französischer Politiker ausschlachtet. Aber noch nie wurde eine Liebesaffäre so schonungslos ans Licht gezerrt wie Hollandes angebliche Liaison. „Die Situation ist einmalig in der V. Republik“, räumt ein Freund des Präsidenten ein.