Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) aus Stuttgart kritisiert das Klimapaket der Koalition im StZ-Interview: Es sei ein „Einknicken vor der Kohleindustrie.“

Stuttgart - Der baden-württembergische Umweltminister Untersteller kritisiert das Klimapaket. Es enthalte ein „Hartz IV“ für alte Kraftwerke.

 
Herr Minister Untersteller, ist dieses Klimapaket die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel behauptet?
Nein, sicher nicht. Dieses Paket versöhnt nur CDU, CSU und SPD im Bund. Insofern ist es eine Art Rettungspaket für eine in der Energiepolitik Not leidende Bundesregierung.
Umweltverbände kritisieren den Verzicht auf die Klimaabgabe heftig. Der Bundesgrüne Oliver Krischer spricht von einer klimapolitischen Bankrotterklärung. Aber muss bei der Energiewende nicht auch Rücksicht auf Jobs genommen werden?
Natürlich sind Arbeitsplätze wichtig. Aber die Frage, wo und wie sich ein Wirtschaftsminister um sie kümmern muss, lässt sich anders beantworten als mit dem Einknicken vor der Kohleindustrie zu Lasten des Klimaschutzes.
Energiekonzerne erhalten eine Prämie fürs Stilllegen von Anlagen. Auf private Stromkunden aber kommen höhere Kosten zu. Ist das gerecht?
In diesem Fall ist Gerechtigkeit nicht die Kategorie, um die es geht. Es geht um die Versorgungssicherheit und um die Frage, was sie kosten kann und muss. In diesem Fall kann – und in meinen Augen muss – sie ein paar Milliarden Euro weniger kosten.
Fünf alte Braunkohlekraftwerke bleiben in Reserve. Ist das energiepolitisch vernünftig?
Natürlich nicht. Mit der Reservelösung, die jetzt angedacht ist, wird die Braunkohle praktisch weiter subventioniert. Das läuft allem zuwider, was mit Klimaschutz gemeint ist und was die Energiewende leisten soll. Wirtschaftsminister Gabriel hat einmal gesagt, dass er „kein Hartz IV“ für alte Kraftwerke wolle. Da ist es eine bemerkenswerte 180-Grad-Wendung, die er jetzt vollzieht, denn genau das ist es: Hartz IV für Braunkohle. Und noch etwas: die Braunkohlekraftwerke als Reserve sind kein Beitrag zur Versorgungssicherheit, wie Gabriel uns Glauben machen will. Sie haben einen zu langen Vorlauf, ehe sie zur Verfügung stehen, das heißt, wenn wir sie schnell brauchen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind sie kalt und nutzlos.
Was sagen Sie zur Stromtrassenführung. Sind die Erdkabel ein Kotau vor Seehofer? Bleibt Baden-Württemberg verschont von bayerischen Verlegungswünschen?
Verschont bleiben wir sicher nicht. Ob unter dem Strich die befürchtete Mehrbelastung für Baden-Württemberg kommt, das müssen wir abwarten. Im Moment sind wir zuversichtlich, dass die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur einen Vorschlag hinbekommen, den wir akzeptieren können. Ich bin auf jeden Fall mal froh, dass der Koalitionsgipfel die Suedlink-Trasse bestätigt hat. Alles andere wäre inakzeptabel gewesen.